Ab und zu lernt man Menschen auch in „Real“ kennen, die man vorher nur aus dem Chat im Internet kannte. Oft sind das sehr nette und angenehme Menschen, mit denen man sich gut unterhalten kann. Manchmal jedoch sind auch Leute dabei, die mit mir auf derselben Wellenlänge liegen. In der heutigen Zeit ist das sehr selten geworden. Umso mehr freue ich mich, dass es dennoch vorkommt.

Wir trafen uns am Elbufer. Er hatte eine Flasche Wein dabei und ich eine Decke. Nachdem wir eine schöne Stelle zum Chillen abseits der grillenden Massen gefunden hatten, begannen wir uns mit Fragen gegenseitig „abzutasten“. Sehr schnell merkten wir, dass wir uns sympathisch waren. Sehr schnell war das Eis gebrochen, und wir begannen die „eigentliche“ Unterhaltung.

Je mehr er mir von sich erzählte, desto sympathischer wurde er mir. Obwohl ich ihn in meinem Leben vorher noch nie getroffen habe, wurde er mir immer vertrauter. Sehr schnell hatte ich das Gefühl, dass kein Fremder auf meiner Decke lag, sondern ein ganz lieber Freund. Vielleicht lag es auch an dem Wein, den wir tranken, der uns immer redseliger werden lies. Vielleicht waren wir aber auch nur einfach zwei Leute, die genauso gut zuhören wie Geschichten erzählen konnten. Ganz nebenbei ging die Sonne unter und die Beleuchtungen der Semperoper und des Theaterplatzes schalteten sich ein. Je dunkler es wurde, desto mehr Möwen kreisten um den Theaterturm. So einige Touristenbusse fuhren über die Brücke, neben der wir lagen, und erklärten den Touristen, was sich gerade links und rechts von ihnen befand.

Meine Lebenserfahrung hat mir gelehrt, dass man in der heutigen Zeit seine Gefühle nicht mehr offen zeigt, denn das macht verletzlich. Aus den Erzählungen von Freunden habe ich aber auch gelernt, dass es oft hinderlich ist, mit den eigenen Gefühlen zu lange hinter dem Berg zu warten, bis der richtige Zeitpunkt kommt.
Getreu dem Spruch: „Dem Mutigen gehört die Welt.“ entschloss ich mich, ihm vorsichtig zu sagen, dass ich schon sehr lange keinen so netten Menschen mehr getroffen hatte. Das fiel mir sehr schwer, denn es gab in meinem Leben bisher nicht viele Momente, in denen ich so etwas hätte sagen können. Das soll nicht heißen, dass mein Leben bisher öde, einsam und verlassen war. Ganz im Gegenteil. Jedoch war es für mich in der Vergangenheit immer vorteilhaft, meine Gefühle für andere Menschen zu verbergen, als sie offen zu zeigen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen bin ich sehr objektiv und eher rational. Auch was die eigenen Gefühle anderer Menschen gegenüber angeht, bin ich sehr vorsichtig und wäge Vor- und Nachteile ab, bevor ich kurz entschlossen handle. Manche mögen das gefühlskalt und kontrolliert bezeichnen. Ich nenne es jedoch meinen „Selbstschutz“, der mich davor bewahrt Dinge zu tun, die ich später bereuen werde.

Seine Reaktion auf meine Offenheit war verhalten gut. Vielleicht war er auch ein wenig überfordert mit meiner Meinung über ihn. Das nehme ich ihm aber auch nicht übel. Sicher hätte ich an seiner Stelle ähnlich reagiert.

Momentan fehlen mir echt die Worte, zu beschreiben was ich denke. Vielleicht liegt das daran, dass es schon sehr spät ist. Denn es gibt nur sehr selten Momente, in denen mir buchstäblich die Worte fehlen. Vielleicht liest der ein oder andere aber auch zwischen den Zeilen und ahnt den Rest.

Allen anderen wünsche ich noch eine schöne Nacht.

Es ist 2:10 Uhr, Zeit, das Licht auszuknipsen.