Lange lagen mein Zelt, der Schlafsack und die Isomatte im Abstellraum. Nach über einem Jahr Studium, Praktikum und Arbeit war es an der Zeit, in den Urlaub zu fahren. Diesmal sollte es nach Frankreich gehen. In einem doch ziemlich kleinen Auto brachten wir in zwei Wochen über 3400 Kilometer hinter uns.

Es war ein Urlaub der Premieren: Zum ersten Mal saß ich nach über fünf Jahren hinter einem Lenkrad, fuhr zum ersten Mal kreuz und quer im Ausland entlang. Zum ersten Mal aß ich Austern, sah nach langer Zeit mal wieder den Atlantik, ließ mich zum ersten Mal von den meterhohen Wellen des Atlantik tragen. Und mit dabei war mein Freund – auch eine Premiere dieses Urlaubs.

Doch fangen wir von vorn an: In der späten Dämmerung setzten wir uns in den 11 Jahre alten Nissan Micra, der bis unter das Dach mit Campingstühlen, -tischen und Kochern, unseren Zelten und Kleidung für 14 Tage voll gestopft war. Mit einer gehörigen Portion Kaffee im Blut fuhren wir von Düsseldorf aus in Richtung Paris, erreichten diese riesige Stadt mit dem unübersichtlichsten Autobahnnetz, das ich jemals gesehen habe, gegen Mitternacht.

Pausen sind wichtig, wenn man über 14 Stunden hinter dem Steuer sitzt. Kaffee jedoch war noch viel wichtiger. Gegen Mittag erreichten wir dann unser Ziel: St. Girons Plage, einem kleinen Dorf im südlichsten Teil Frankreichs, direkt an der Atlantikküste. Von Anfang an habe ich genervt: „Ich will meine Füße in den Atlantik stecken, wenn wir angekommen sind.“. Als wir jedoch unseren Campingplatz erreichten, waren wir beide so müde und erschöpft, dass wir praktisch nur noch das Zelt aufschlugen, unsere Rucksäcke auspackten und den Schlaf der letzten Nacht nachholten.

Am nächsten Tag lockte uns die Sonne schon zeitig aus dem Zelt, das sich aufheizte wie ein Backofen. Schnell hatten wir gefrühstückt (die Croissants und ein Baguette durften natürlich nicht fehlen) und stürmten mit unseren Surfboards den kilometerlangen weißen Sandstrand. Schnell knallte uns die Sonne so heftig auf den Kopf, dass wir mutig in das „nur“ 20 Grad kühle Wasser sprangen. Das mag viel klingen. Wenn sich der Körper in der Sonne jedoch aufheizt wie in einer Sauna kommen einem 20° vor als wäre es Eiswasser ohne Eiswürfel.

Ziel dieses Urlaubs war es natürlich, braun zu werden. Also legten wir unsere kreidebleichen Beine in die Sonne. Natürlich mussten wir darauf achten, dass wir uns die Haut nicht verbrannten, ohne Sonnenschutz gingen wir nie in die Sonne. Als jedoch am dritten Urlaubstage Wolken über unserem Ferienort hingen, entschieden wir uns für einen typischen Touristentag in Bordeaux, der Weinhauptstadt Frankreichs.

Als wir in der Stadt, deren Namen allen in den Ohren klingt, ankamen, war ich doch etwas erstaunt, dass dieser Ort keineswegs malerisch herausgeputzt war. Nur entlang der typischen Touristenrouten durch die Einkaufsmeilen, die Kathedralen und Uferpromenaden war Bordeaux wie aus dem Ei gepellt. Verließ man diese Routen jedoch durch eine der vielen schmuddeligen Gassen, kam man zu heruntergekommenen Gegenden die man als Tourist sicher nicht unbedingt gesehen haben muss.

Dass die Franzosen sich über deutsche Touristen nicht freuen, war uns beiden klar. Die Franzosen sind ein nachtragendes Volk. Auch nach über 50 Jahren und gut zwei vergangenen Generationen, wurden die deutschen Touristen zwar akzeptiert, jedoch nie gemocht. Dies spürten wir von unserem ersten Urlaubstag an. Nirgendwo sprach man Deutsch, also versuchte ich mich ein paar Brocken Französisch, die von der Schulzeit noch hängen geblieben sind, zu verständigen. Doch auch mein abgehacktes Französisch-Gestotter traf auf taube französische Ohren.

Als wir uns in Bordeaux dann in eine Pizzeria setzten, das Menü des Tages bestellten und – „oh Himmel wie kann man so was in der Weinhauptstadt Frankreichs tun“ – keinen Wein zum Essen bestellten, wurden wir sofort als Touristen zweiter Klasse behandelt. Nein, man sah uns nicht an, wenn man mit uns redete: selbstverständlich auf Französisch. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass sich die Franzosen einen Spaß aus unseren Sprachproblemen machten und weiter auf Französisch mit uns redeten, obwohl wir ganz offensichtlich kein Wort verstanden. Die Teller wurden uns auf den Tisch geknallt, das Essen war gerade noch warm, doch wir beherrschten uns und ließen uns nicht anmerken, dass uns diese Unsitte der Franzosen tierisch ärgerte.

Doch nun zurück nach Bordeaux… In der Stadt selbst sieht man neben den vielen Geschäften recht wenig vom Wein der Gegend. Auch im Umland von Bordeaux findet man keine Weinhänge, die sich bis zum Horizont entlang der Hügel schlängeln. Trotzdem nahm ich mir vor, in dieser Stadt Wein zu trinken. Irgendetwas musste ja dran sein an dem Ruf von Bordeaux, der auf der ganzen Welt bekannt war. Der Wein schmeckte schon ganz gut, soviel kann ich sagen. Da ich jedoch kein Weinexperte bin, fiel es mir schwer Geschmacksrichtungen wie „blumig fruchtig“ oder „fruchtig herb“ herauszuschmecken.

In den folgenden Tagen wurde das Wetter immer schlechter. Es regnete jeden Tag, manchmal sogar ununterbrochen. Jetzt mag man sich sagen: Dann muss man einfach das Beste daraus machen. Wenn jedoch das Zelt, in dem man nur liegen kann, immer nass ist und der Waldboden auf dem man läuft, ständig feucht ist, macht auch dem passioniertesten Camper das Zelten keinen Spaß mehr. Um uns dennoch abzulenken legten wir einen „Kultur-Tag“ nach dem anderen ein, besichtigten Höhlen im Vorland der Pyränen und ließen uns von der Promenade in Biaritz beinahe von Wellen klatsch-nass machen.

Die Höhlenführung war natürlich auch auf Französisch – wieder keine Chance für uns, etwas zu verstehen. Das englische Faltblatt, das man uns am Höhleneingang in die Hand drückte, war nur ein winziger wissenschaftlicher Abklatsch von den beeindruckenden Tropfsteinformationen, die wir im inneren der Höhle entdecken konnten. In der Höhle waren auch Felsmalereien, die weit älter als 10.000 Jahre waren und von den Nachfahren der Neandertaler gezeichnet wurden. Obwohl uns das historische Hintergrundwissen fehlte, beeindruckten uns die Höhlen dennoch sehr. Leider war das Fotografieren verboten. Deshalb sieht man auch auf keiner dieser Seiten ein Bild davon. Über Biaritz, DAS Touristenmekka im südlichsten Teil Frankreichs, lässt sich im Grunde nicht viel mehr schreiben, als dass es ein sehr schöner Ort mit sehr vielen Touristen ist.

Nachdem wir die Halbzeit unseres Urlaubs erreicht hatten, und unsere Kleidung auf den Wäscheleinen nicht trocknete, es immerzu regnete, und man praktisch nur im Zelt bleiben konnte, entschlossen wir uns, die Sachen zu packen und zurück nach Deutschland zu fahren. Im strömenden Regen verstauten wir das Zelt und den ganzen Rest im Auto und fuhren im Regen auf die Autobahn. Doch dann geschah das scheinbar unglaubliche: Nach über vier Tagen Regen riss der Himmel plötzlich auf. Die Sonne prasselte auf uns nieder, und wir fragten uns, ob wir nicht vielleicht doch in Frankreich bleiben sollten. Also kehrten wir um, packten unsere Sachen wieder aus, und liefen im Eiltempo Richtung Strand.

Von diesem Moment an, blieb das Wetter bis zu unserer Abfahrt wunderbar. Jeden Tag wurde es heißer, 40 Grad und mehr waren am Stand keine Seltenheit. Der Sand unter unseren Füßen war so heiß, dass er uns fast die Sohlen wegbrannte. Wir wurden braun, braun, braun …

Doch ein vorgenommenes Highlight hatte ich noch vor mir: Das Austern-Essen. In der Nähe von Bordeaux, allerdings direkt am Stand, gibt es einen Ort, der Arachon heißt. Dort findet man die Dune de Pilat, die höchste Wanderdüne Europas. Auf die scheuchte mich Steffen mit dem größten Vergnügen. In der Mittagshitze rannten wir die Dünenhänge hinauf und hinunter. Steckten am Fuß der Düne unsere Füße in den kühlen Atlantik, rannten auf den Gipfel und genossen dort die einmalige Aussicht auf den endlos langen Stand.

Müde und erschöpft setzten wir uns dann in ein Strandrestaurant. „Mich kriegen keine zehn Pferde dazu, Austern zu essen“, meinte Steffen noch. Also bestellte ich mir Austern, Steffen sah mir zu. Viel wissen nicht, dass die Muscheln direkt vor der Küste von Arachon „angebaut“ werden, also frisch aus dem Meer kommen. Noch weniger Menschen wissen, dass die Austern lebend serviert werden und erst „sterben“, wenn man auf sie beißt oder sie in die Magensäure fallen. Auch sieht das weißliche Zeug, das in den halben, steinigen und algigen Muschelschalen steckt, nicht unbedingt appetitlich aus.

Die erste Auster schluckte ich ohne zu kauen hinunter. Wonach sie schmeckt, möchtest Du wissen? Das fand ich dann bei den darauf folgenden Austern heraus: Etwas salzig, etwas fischig, etwas nach Zitrone (klar, die hatte man sich ja vorher darüber geträufelt) und ein bisschen nach kalten Hühnerfrikassee. Warum die Auster als eine Delikatesse gilt, weiß ich bis heute nicht. Den Geschmack fand ich nicht so herausragend, als dass ich mir so ein Essen noch einmal bestellen würde. Satt wird man davon übrigens auch nicht. Es war aber eine Erfahrung, und die war es mir wert.

Unterm Strich waren die 14 Tage an der französischen Atlantikküste eine gelungene Mischung aus Kultur, Strand, Erlebnis und Romantik.