Er heißt Detlef. Er ist obdachlos. Er greift zum Mikrofon, das ihm Joe Hatchiban gibt. Hunderte Zuschauer sind still. Die ersten Töne von Frank Sinatra’s „My Way“ ertönen. Detlef singt die deutsche Entsprechung des Titels. Seine Stimme ist voll und klar. Hunderte jubeln, klatschen Beifall und verstummen schnell, denn vor ihnen steht ein Talent – ein Obdachloser.

Längst schon ist Joe Hatchiban’s „Bearpit Karaoke“ unter all den Bewohnern des Prenzlauer Bergs kein Geheimtipp mehr. Hunderte strömen am Sonntag Nachmittag in den Mauerpark nahe der U-Bahnstation Eberswalder Straße, um die unentdeckten Talente und mutigen Persönlichkeiten zu sehen, die das Mikrofon in die Hand nehmen, um vor der Menge ihren Lieblingstitel zu singen. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung in dem Open-Air-Theater, das die Bühne ist. Es wird gelächelt, gejubelt, Beifall geklatscht. Ab und an wird man von fremden Menschen auch angelächelt. Für Singles in Berlin ist dies eine gute Möglichkeiten, neue Menschen kennenzulernen. Für alle jedoch ist diese Veranstaltung eine Möglichkeit, den Alltag hinter sich zu lassen und nicht nur der Sonne beim untergehen zuzuschauen, sondern auch den alt-bekannten oder vollkommen neuen Interpretationen der großen Hits zu lauschen.

Der Grat zwischen Erfolg und Niederlage ist sehr hart, wenn man live singt. Dennoch stellen sich unendlich viele Leute dieser Herausforderung und unterhalten so einen ganzen Stadtteil. Der Erfolg scheint sich herumzusprechen – auch bei relativ alten Leuten. Ein Chor mit Sängerinnen und Sängern im Alter von 75 bis 95 Jahren betrat mutig die Bühne und präsentierte der begeisterten Menge den „Highway to Hell“. Sie ernteten vom Publikum Standing Ovations.

Detlef, der Obdachlose, stand ebenfalls für einige Minuten im Rampenlicht der untergehenden Sonne und lies sich feiern. Keiner weiß, woher er kam und wohin er gehen wird. Doch ab und zu taucht er auf und singt – so gut, dass alle den Atem anhalten und andächtig zuhören.

Ich war dabei, mit meiner Kamera. Entstanden sind dabei die nachfolgenden Bilder, denen man die Emotionen, die ich erlebte, hoffentlich wiedergeben können.

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