Ich sitze mittendrin, umgeben von tausenden Fußballfans, die sämtliche Spitznamen und Spielerstatistiken der Nationalelf kennen. Ich weiß immerhin, was eine Abseitsposition ist, und dass ein Verteidiger das eigene Tor verteidigt. Ich fühle mich etwas fremd in dieser Menschenmenge. Und doch gehöre ich dazu, denn wir sind in diesem Sommer ein Team – ganz Deutschland ist ein Team.

Umgeben von drei Arbeitskollegen sitze ich bei den 11Freunden im WM-Quartier in Friedrichshain. Vor uns eine riesige Leinwand, auf der Günther Netzer, die Aufziehpuppe der Öffentlich-Rechtlichen, mit seiner künstlichen Kauleiste gekünstelte Kommentare zu den Spielern der Deutschen Nationalelf von sich gibt. Die Sonne scheint mir ins Gesicht, und ich ahne, dass es nicht nur auf dem Rasen in Südafrika heiß hergehen wird, sondern auf der Tribühne, auf der ich gerade sitze. Die vorherigen Spiele der Nationalelf habe ich stressfrei in abgedunkelten Räumen des FC Magnetclubs gesehen. Nun wünschte ich mir ein Fleckchen Schatten – vergebens. Immerhin habe ich mein Fan-Hütchen dabei, um das mich die Kollegen nun nicht nur wegen der Farben beneiden.

Doch ich habe wichtigere Dinge im Kopf als Schatten: das Spiel, das uns bevorsteht. Es wurde angekündigt als das Schicksalsspiel der Deutschen in dieser Weltmeisterschaft. Gegen England zu verlieren bedeutet, an dem immer selben Gegner zu scheitern. Unvergessen ist der Lattenpfostentreffer von Wembley im WM-Finale 1966 – ein Tor, das keines war.

Es geht los! Das Spiel läuft. Nach Stunden des Wartens umgibt mich nun Stille. Alle lauschen den Kommentaren des Moderators und verfolgen jedes Detail auf der riesigen LED-Leinwand. Einige „Oh’s“ fallen, einige gelbe Karten werden verteilt. Plötzlich sehe ich auch die Chance, die sich dem deutschen Team bietet. Ich halte die Luft an, zucke innerlich zusammen und kann es kaum fassen: Das erste Tor ist gefallen. Schneller als gedacht!

Die Emotionen kochen über. Alle Anspannung entlädt sich blitzartig. Begeisterung über das gefallene Tor überkommt mich. Ich umarme Freunde, Kollegen – sogar mir unbekannte Menschen. Jubel und Erleichterung macht sich breit. Die Zeitlupe läuft, das Tor fällt ein zweites Mal – ganz langsam. Erneut Jubel. Diesmal gedämpfter aber immer noch euphorisch. Der Sieg ist nicht mehr weit entfernt.

Das zweite Tor fällt wenig später. 2:0 für Deutschland. Erneut rasten alle um mich herum aus. Ich nun auch – komplett. „Das ist ja ein super spannendes Spiel.“, denke ich. Spannender als all die anderen Spiele, die ich zuhause gesehen habe. Sind wir so gut, oder ist die Atmosphäre hier so großartig? Egal. Ich liege erneut Leuten in den Armen, die ich nicht kenne. Ans Fotografieren ist in diesen Augenblicken nicht zu denken.

Beim dritten Tor für Deutschland landet schließlich noch ein Bier auf meinem Rücken. Kurz ist es kühl und erfrischend. Wenig später denke ich: „Mist, jetzt rieche ich wie ein Penner!“. Doch ich mache mir nichts daraus. Deutschland ist weiter – mit einem kleinen Makel: Dem Lattenpfostentreffer 2010.

Diesmal war der Lattenpfostentreffer, der ein 2:2 vor der Halbzeitpause eingeläutet hätte, ein Tor der Engländer, wurde aber also solches nicht gewertet. Vielleicht war dies die späte Revange für Wembley.

Eines jedoch steht fest: Deutschland ist im Viertelfinale – und ich bin dabei!

Ganz ohne Bilder bin ich aber auch diesmal nicht ausgekommen. Deshalb hier ein paar Schnappschüsse, die ich während, vor und nach dem Spiel gemacht habe:

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