Wir fahren durch eine grenzenlos erscheinende Einsamkeit. Links und rechts der zugefrorenen Straßen, auf denen wir uns bewegen, stehen Nadelbäume, deren Äste tief nach unten hängen, weil die Schneelast so groß ist. Immer wieder frage ich mich: Wer lebt hier, und warum? Was bewegt die Abgeschiedenheit und das harte Klima Menschen dazu, hier ihre Zelte aufzubauen und zu bleiben – nördlich des Polarkreises.

Langsam und vorsichtig fahren wir auf zugeschneiten und teilweise vollkommen vereisten Landstraßen durch die Wildnis von Schweden, Norwegen und Finnland. Autobahnen gibt es hier oben nicht. Nur ganz selten biegt eine Straße ab, die zu einem Haus führt, das man manchmal durch das Dickicht der Wälder weit entfernt erkennen kann. Die Häuser sind aus Holz, das rot angemalt ist. Ein Schornstein, aus dem Rauch aufsteigt, zeigt uns an, dass das Haus wohl bewohnt ist. Die meisten Häuser sind an einem kleinen zugefrorenen See gebaut.

Der Winter nördlich des Polarkreises ist hauptsächlich dunkel und kalt. Nichts lädt dazu ein, hier zu verweilen. Und doch leben hier Menschen, abseits von Menschenansammlungen, Läden und Ärzten. Wahrscheinlich haben sie eine Schrotflinte im Flur stehen, um Bären zu verjagen oder Rentiere zu schießen, von denen es hier viele gibt.

Ganz zutraulich laufen die Rentiere über die Straßen, auf denen wir uns bewegen. Obwohl wir mit laut heulenden Motoren angefahren kommen, bewegen sich die Rentiere ungestört und in einem seelenruhigen Tempo über die Straße. Sie schauen mich, den Autofahrer, noch nicht einmal an.

Rentiere sind hier oben die Kühe des Nordens. Sie dürfen hier “grasen”, wenn man das, was sie finden, denn als Gras bezeichnen kann. Rentiere werden hier auch auf dem Teller serviert. Ob am Stück oder in kleine Würfel geschnitten, sind Rentiere hier eine leckere und nahrhafte Mahlzeit, weil ihr Fleisch zwar zart wie Hühnchen ist, aber deutlich mehr Fett enthält. Die meisten Menschen, die zum ersten Mal ein Rentier sehen, glauben es sei ein Elch. Doch die beiden sollte man nicht in einen Topf werfen. Sind Rentiere noch so groß wie Rehe oder Hirsche, kann ein Elch locker mit einem ausgewachsenen Ochsen mithalten.

Je weiter wir in Richtung Süden fahren, desto näher kommen wir dem nördlichen Polarkreis. Entlang dieses Breitengrades gibt es aber selbst in der Abgeschiedenheit der Natur einen Parkplatz mit riesigem Schild und Informationen zum Polarkreis, wie man auf den Bildern gut erkennen kann.

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Je weiter südlich wir kommen, desto mehr Orte durchqueren wir. Hier, südlich des Polarkreises, ist es nicht mehr so dunkel, kalt und abschreckend, wie im Norden. Hier wird man an Pippi Langstrumpf erinnert. Die typischen IKEA-Kekse gibt es in jedem Laden, schmecken aber ganz genauso wie zuhause in Berlin. Und da es so hoch im Norden nicht allzu viele Straßen gibt, landen wir durch Zufall bei einem alten Mann, der auf seinem Hof auf dem Land, einen Mittagstisch anbietet. Diesen alten Mann haben wir bereits vor drei Jahren besucht. Das Essen, das er anbietet, schmeckt noch immer gut. Mittlerweile hat auch er eine Möglichkeit mit Kreditkarte zu zahlen, und ist, ganz altmodisch, noch immer für jeden Plausch zu haben und freut sich über deutsche Gäste.

Die Fahrt durch den hohen Norden Europas ist immer wieder spannend und – auch wenn sich die Eindrücke immer wieder ähneln – eine Reise wert.