Vor uns stand der erste freie Tag auf dem Weg durch die USA. Es sollte auch unser einziger freie Tag in den USA sein. Deshalb galt es, diesen bestmöglich mit Freizeiterlebnissen zu füllen. Gut, dass wir dafür in einer Stadt waren, die sich dazu bestens eignete: Las Vegas.

Wir starteten mit einem ausgiebigen Outlet-Shopping etwas außerhalb von Las Vegas. Gegen Mittag verließ uns dann jedoch die Lust am Shopping, und Alex, Jürgen, Jan und ich trennten uns. Jan und ich gingen gemeinsame Wege, denn wir wollten uns die vielen Casinos ansehen, die sich entlang der einzig wirklich wichtigen Straße in Las Vegas, dem “Strip”, entlangschlängelten.

Wir entschieden uns zuerst für das Ceasars, einem im griechischen Stil errichtete Vergnügungsmeile, in der man locker den ganzen Tag verbringen konnte. Schon am Eingang begrüßte uns Cäsar mit einer weltmännischen Geste, die Jan auf den unten stehenden Fotos gleich nachmachte. Unmittelbar hinter diesem Menschen, der Macht aber auch Wohlstand brachte, fanden sich unendliche Spielautomaten, an denen die Menschen ihr Glück suchten, und es meistens nicht fanden. An einigen Tischen herrschte reges Treiben, an anderen Tischen gähnende Leere. Denn auch wenn man in Las Vegas rund um die Uhr spielen kann, war Mittags gegen 12 Uhr nicht die “Rushour” für das Glücksspiel.

Was mich sehr beeindruckte, waren die unzähligen Kamerasysteme, die die Decken verzierten. Mal waren die Überwachungsgeräte demonstrativ und gut sichtbar angebracht, ein andermal konnte man die versteckten Linsen kaum erkennen. Aus Filmen wie “Casino” kennt man die Bilder und weiß, dass eine Horde von Casinomitarbeitern unaufhörlich damit beschäftigt ist, jeden Touristen, Kunden und Spieler auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Für einen kurzen Augenblick fand ich diese Vorstellung seltsam. Doch sie scheint hier zum Konzept zu gehören. Und zu stören scheint es ja niemanden.

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Nachdem ein Glückspilz an einem der vielen Automaten und Glücksspieltische etwas gewonnen hat, bietet das Ceasars ebenso viele Möglichkeiten, das gewonnene Geld in einer Shoppingmeile umgehend wieder auszugeben. Zu unserer Überraschung fand sich hier auch H&M, sicher eher für die kleineren Gewinne. Die Einkaufsmeile war ebenfalls im griechischen Stil dekoriert, und wir liefen an riesigen Brunnen mit griechischen Göttinnen vorbei, die einen Durchmesser von 10 Metern und mehr hatten. Wenn in Amerika alles ein bisschen größer ist, als man es kennt, schießt Las Vegas wohl den Vogel ab. Größer und abgedrehter als hier geht nicht.

Als wir des Staunens und Shoppens überdrüssig geworden sind, suchten wir einen Weg, raus aus diesem Tempel des Geldes. Doch so einfach, wie das klingt, war es leider nicht. Denn die Casinos in Las Vegas sind so gebaut, dass man zwar leicht hinein, aber schwer wieder herausfindet. Der Trick, den ich mir während meines Studiums in Dresden angewöhnt hatte, half hier: “Feuerpläne ansehen.”.

Zurück auf dem “Strip” stolperten wir nach kurzer Mittagspause in einer Fastfood-Kette auch schon in den nächsten Vergnügungstempel, in dem mich Whoopie Goldberg (leider auch Wachs) begrüßte. Das “Venezia” reizte uns am meisten, weil der halbe Markusplatz nachgebaut wurde, und echte Gondolieres die Touristen durch die künstlich angelegten Kanäle und unter dem Kanale Grande entlang durch das Casino schipperten.

Und – irgendwo im Venezia – hatte ich keine Lust mehr auf diese falsche Welt von Las Vegas, die nur aus Fassaden bestand. Ich entdeckte an einigen venezianischen Säulen noch die Klebenähte, an denen sie zusammengeklebt worden waren. Ich schaute genauer hin und entdeckte, dass alles – aber auch wirklich alles – unecht war in dieser Welt. Das einzig echte, das, was in dieser Stadt zu zählen scheint, war das Geld.

Die Menschen, die hier arbeiteten, waren meistens unfreundlich. Sie hatten scheinbar gelernt, dass die Menschen auch kamen, wenn man nicht freundlich war. Kühl, direkt und emotionslos bekam man an jeder Stelle, das was man wollte. Einige der Menschen, die in Las Vegas arbeiteten, waren freundlich, zu freundlich, denn es gehörte zu ihrem Job, freundlich zu sein, zu lächeln, auch wenn ihnen im Grunde nicht danach war.

Was für eine Stadt der Fassaden.

Unglaublich!

Zum Glück ging es Jan genauso, also suchten wir uns eine neue Herausforderung und etwas Ablenkung. In einem meiner Reiseführer hatte ich gelesen, dass es auf dem größten Gebäude von Las Vegas, dem “Stratosphere Tower” ein paar Fahrgeschäfte gab. Also setzten wir uns in ein Taxi und fuhren an das Ende vom “Strip” und schauten 300 Meter in die Höhe. 11 Dollar kostete die Fahrt auf die Aussichtsplattform. Für weitere 10 Doller buchten wir den “Big Shot”, ein “Shoot and Freefall”-Fahrgeschäft entlang der Antennenspitze des “Stratosphere Tower”.

Oben angekommen hatten wir einen wirklich grandiosen Blick über Las Vegas. Wir sahen nicht nur den Strip von oben, sondern auch den Flughafen, die umgebenden Berge und die Wohnsiedlungen, wo all die Menschen wohnten, die diese Stadt für Touristen so attraktiv machten. Um den Stratosphere Tower herum flogen ein paar Hubschrauber. “Sicher auch ein Touristenflug, so wie wir diesen im Grand Canyon erlebt hatten.”, dachte ich.

Durch die zahlreichen Glasscheiben der Aussichtsplattform konnte man auch nach oben schauen. Wir sahen, was uns erwartete, und ich gebe zu: ein bisschen mulmig war mir schon. Nachdem ich das Ticket jedoch gekauft hatte, und wir uns gegenseitig Mut zugesprochen haben, wagten wir den “Aufstieg” zur “Big Shot”-Plattform.

Schnell hatten wir Platz genommen in einer der roten “Abschussplätze”. Ein Securitytyp gab uns zu verstehen, dass wir unsere Flipflops ausziehen müssten, da diese sonst aus über dreihundert Metern Höhe nach unten fallen würden – eine blöde Vorstellung, zumal wir dann barfuß hätten zurück ins Hotel laufen müssten. Also blieb und nichts anderes übrig, als uns barfuß in den Himmel katapultieren zu lassen.

Nach einer geräuschvollen Pumpe, die Druck aufbauen zu schien, schoss es uns auch schon etwa achzig Meter in die Höhe. Oben angekommen, gab es die entscheidende Sekunde, die man weder oben angekommen war, noch durch die Schwerkraft zurück auf den Boden der Tatsachen geholt wurde. Ein fantastischer Augenblick mit dem wohl besten Ausblick über Las Vegas. (Uns schoss so viel Adrenalin in den Körper, dass Jan und ich abends im Bett Probleme hatten, einzuschlafen, obwohl der “Big Shot” dann schon über 6 Stunden vorbei war.) Hier noch ein interessantes Youtube-Video, das ein paar Fremde zeigt, wie sie in die Höhe katapultiert werden:

[youtube 6g0K5Gq1eFg]

Nach dem adrenalinreichen Event auf dem “Stratosphere Tower” machten wir uns zurück auf den Weg zum Hotel. Bevor das Abendprogramm startete, wollten wir uns noch etwas im Zimmer ausruhen, denn die Nacht würde vermutlich lang werden.

Zum Abendessen trafen wir nicht nur auf Jürgen und Alex, sondern auch Thorsten und Michael, die sich den Grand Canyon angeschaut hatten, kamen freudestrahlend in die Lobby unseres Hotels. Jürgen ergriff in der Wartezeit auf den Rest unserer Gruppe die Chance, auf schnellstmögliche Art einen Dollar loszuwerden. Wie er sein Geld (ich versichere, es war nur ein Dollar) verzockte, zeigt dieses Video:

[youtube GaWSwvydCRE]

Nach einem richtigen Abendessen in einem richtigen Restaurant flanierten wir noch etwas den Strip entlang. Mein Reiseführer gab mir den Tipp, vor dem “Bellagio” etwas zu verweilen. Dort gab es im Dunkeln im 15-Minuten-Takt ein Wasserspiel, das es in sich hatte. Also genossen Jürgen, Alex, Jan und ich die angenehm warme Nacht unter freiem Himmel am Ufer des Sees vor dem “Bellagio”, schauten staunend auf das Casino “Paris” und den kleinen nachgemachten Eifelturm, ehe aus dem Nichts des Sees kleine Wasserfontänen im Takt zur Musik auftauchten.

Die Wasserspiele wurden von unten angestrahlt und leuchteten im Dunkel der Nacht unglaublich hell. Von überall her kam Musik, eine perfekte Inszenierung. Zwar findet sich unter meinen Bildern auch ein Foto von den Wasserspielen. Wirklich interessant ist aber das nachfolgende Video, ebenfalls von Youtube:

[youtube cP0K6H2QK7A]

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich in Las Vegas noch keinen einzigen Dollar aufs Spiel gesetzt. Das wollte ich jedoch ändern. Meinen Zuhausegebliebenen habe ich jedoch versprochen, keine größeren Summen auf den Kopf zu hauen, deshalb entschied ich mich, nur wenige Dollar am größten einarmigen Banditen, den ich gesehen hatte, zu verspielen. Wie groß das Teil war, kann man ja auf den Bildern sehen. Glück hatte ich aber leider nicht. Jürgen, meinem Chef, ging es da nicht anders. Jan wollte unbedingt Roulette spielen. Er tausche an einer der Banken einen Geldschein gegen mehrere Chips ein – echtes Spielgeld. Nach drei Runden Roulette und drei ziemlich deprimierenden Blicken von Jan schnappte sich dieser seine restlichen fünf Dollar und ging zurück zur Bank. Er wollte nicht mit “0” nachhause gehen. Die Blicke der Bankerin, die diesen winzigen Betrag zurück in einen einzigen Geldschein umtauschte, sprach bände. Um uns dennoch ein Andenken an Las Vegas zu verschaffen, hob ich mir einen “1 Dollar Jeton” auf. Dieser ziert nun meinen Arbeitsplatz. Vielleicht bringt er mir dort mehr Glück als am Spieltisch in Las Vegas.

Mein Fazit zu Las Vegas ist jedoch, trotz all des Pomps, der funkelnden Lichter und der auf Hochglanz polierten Spieltische und Automaten, recht ernüchternd: Ich mag Las Vegas nicht wirklich. Es ist eine zutiefst künstliche Stadt, die eine glitzernde Fassade für die Touristen generiert, hinter die man jedoch nicht schauen sollte. In Las Vegas kann man sicher Spaß haben. Aber nach ein paar Tagen sollte man weiterziehen, denn es gibt in den USA deutlich mehr und deutlich schönere Plätze als diesen unglaublich unechten Ort mitten in der Wüste.