Wir erreichten Phoenix nachts um 1 Uhr. Wir hatten noch keine Unterkunft. Doch fest stand, dass wir die Unterkunft, die wir vor knapp einer Woche hatten, nicht erneut aufsuchen konnten. Also blätterten wir zum wiederholten Male in unserem Reiseführer und landeten schließlich an einer Baustelle. Wir mussten mitten in der Nacht also eine Alternative finden.

Auch wenn uns unser Reiseführer, der uns in den vergangenen Wochen so treue Dienste erwiesen hatte, im Stich lies, konnten wir noch immer nach Sonderzielen in unserer Umgebung suchen. Wir wählten ein Motel namens “Coronado” aus und erreichten es nach kurzer Fahrt durch die Innenstadt von Phoenix.

Das Coronado kann man sich wie eine zweigeschossige Bauarbeitersiedlung vorstellen. Das Gebäude ist rechteckig. Im Erdgeschoss und im 1. Stock zieht sich mitten durch das Gebäude ein langer Flur, von dem im Abstand von etwa 4-5 Metern Türen zu den winzigen Zimmern abgingen. Neonröhren beleuchteten den Flur. Die Wände waren abgewetzt, die Türen hatten schon viele Schrammen. Am Ende eines solchen langen Ganges saß ein Nachtportier hinter einer Glasscheibe, in die ein kleines Loch, durch das man sprechen konnte, gebohrt war. Da wir offensichtlich einen recht vertrauenswürdigen Eindruck machten, kam er Nachtportier, der in unserem Alter war, hinter seiner Glasscheibe hervor uns bot uns an, die Zimmer, die wir buchen wollten, zuvor zu besichtigen.

[singlepic id=1492 w=320 h=240 float=left]Die Besichtigung lief recht unspektakulär ab: Der Nachtportier ging mit einem Generalschlüssel voraus. Er öffnete eines der Zimmer mit einer schwungvollen Handbewegung, und die Tür flog an die Wand. Das Zimmer war nur wenig größer als das Bett, auf dem eine graue Filzdecke lag, unter der sich die Matratze, die schon eindeutig bessere Zeiten gesehen hatte, durchbog. Ein Bad gab es nicht, also führte uns der Nachtportier noch zum Gemeinschaftsbad, das in einem absolut jämmerlichen Zustand war. Entlang der Badewanne zog sich in der Mitte ein gelb brauner Strich in Richtung Abfluss. Der Duschvorhang war sichtlich verschimmelt und die Waschbecken und der Fußboden so dreckig, dass ich nicht einmal meinen Kulturbeutel darauf hätte abstellen wollen.

Der Nachtportier sah uns unsere Verwunderung an, ging mit uns vor die Tür und erzählte uns von den Bettwanzen, die ihn und sein Kind nach nur einer Nacht in diesem Motel komplett zerstochen hatten. Ein Typ in Unterhosen und Socken lief plötzlich aus dem Motel zu uns auf die Straße. Offensichtlich war er “high”, lachte und an und hatte diesen komischen Schlafzimmerblick im Gesicht, wie ihn nur Drogensüchtige haben.

Der Nachtportier erzählte uns zudem, dass er uns wirklich nicht raten würde, in seinem Coronado zu übernachten. Wir haben durch Zufall die billigste Unterkunft in ganz Phoenix angesteuert. Der Nachtportier gab uns Tipps, wo wir in Phoenix suchen sollten, welche Stadtteile es zu meiden gilt, und wo wir die besten aber dennoch preisgünstigsten Motels finden würden.

Jan und ich waren zwar sehr müde. Doch wir entschlossen uns, weiterzusuchen. Zu ekelig war das Gesehene. Zu schlimm waren die Geschichten, die uns er Portier erzählte. Also liefen wir zurück zum Auto, und suchten weiter nach einer Unterkunft in Phoenix.

Eine gefühlte Ewigkeit später fanden wir dann einen echten Glückstreffer: ein frisch renoviertes Super8-Motel. Schnell hatten wir eingecheckt und fielen in einen sehr tiefen Schlaf nach diesem anstrengenden Tag und der endlos erscheinenden Nacht auf Motelsuche.

Heute, etwa zwei Monate später, bin ich übrigens stolz auf uns. Stolz, dass wir uns nicht in dieses Dreckloch haben fallen lassen, sondern weitergesucht haben, auch wenn die Verzweiflung, nichts zu finden, groß gewesen ist. Heute weiß ich von Jan, dass er viel lieber im Auto übernachtet hätte, als auch nur einen einzigen Fuß in das Dreckloch, das sich Coronado nannte, gesetzt hätte.

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