Ian. 21 Jahre alt. Er lacht mich an wie ein Seemann. Dabei zeigt er mir seine Madonna-Zahnlücke, bei der die beiden oberen Schneidezähne gerade so weit auseinander stehen, dass er hindurchpfeifen kann. Seine Sonnenbrille verdeckt seine Augen. Selbst so früh am Morgen braucht er diese. Ich soll das Segeln erlernen.

Er lacht, als er sagt, dass er mir das Segeln beibringen möchte. Doch er lacht mich nicht aus. Er lacht, weil er so das machen kann, was er am liebsten tut.

Also sucht mir Ian eine rote Rettungsweste heraus, mit der ich mich wie eine Schildkröte fühle. “Die musst Du anlegen. Wir werden auf einem Katamaran segeln. Der kann nicht untergehen. Aber Vorschriften sind Vorschriften.”, sagt er mir.

Doch bevor wir den Katamaran zu Wasser lassen, folgt eine Theoriestunde auf der Veranda des Bootshauses. In praller Sonne erklärt mir Ian die Grundzüge des Segelns: Upwind, Downwind, Rudders, Jiv, Tag, großes Segel, kleines Segel. Nach ein paar Minuten nicke ich überfordert. Ian segelt schon seit mehr als 10 Jahren, ist in Clearwarter aufgewachsen und weiß über die Winde hier in Clearwarter Beach sicher mehr als manch anderer.

Wenige Minuten später sitze ich auf dem Ausleger eines Katamarans und halte die Ruder und Seile der Segel in der Hand. “Fühlst Du, wie der Wind uns trägt?”, fragt mich Ian, noch immer lächelnd und seine Madonna-Zahnlücke zeigend. “Ja, das spüre ich.”, und mit etwas Panik in der Stimme: “Wir werden immer schneller!”. “Kein Problem.”, meint Ian und gibt mir die Anweisung, etwas nach links zu schwenken, hinaus aus dem Downwind. Wir werden langsamer. Glück gehabt.

Ich staune. Während ich zögerlich reagiere, plant Ian die Routen, weil er den Wind spürt. Er kennt die Verhältnisse, sagt mir nach einer halben Stunde jedoch auch, dass ich schon ganz souverän mit dem Katamaran umgehen würde. “Die Grundzüge hast Du wirklich gut verstanden.”, sagt er mir, hebt zum ersten Mal seine Brille an und lächelt mir zu: “Dann kann ich mich ja nun entspannt zurücklegen.”

Ich sage ihm, dass es vielleicht doch besser ist, wenn er die Augen aufhält, sonst ramme ich noch etwas. Also unterhalten wir uns über das Leben in Clearwarter Beach. Seine Eltern stammen aus Hawaii. Dort ist Ian auch geboren. Jedoch sind sie kurz nach seiner Geburt nach Clearwarter gezogen. Bald beendet er die Highschool und möchte Jura studieren. Gern würde er in Clearwarter bleiben. Doch gegen ein paar Semester in einer anderen amerikanischen Stadt hätte er auch nichts. “Mal herauszukommen aus dieser Gegend, die alle Touristen als das Paradies bezeichnen, die aber für mich aber vollkommen selbstverständlich ist, tut vielleicht auch gut.”, sagt er mir, während er auf dem gespannten Stoff des Katamarans sitzt. Die Sonne kommt von oben. Von unten klatschen die Wellen an ihn heran.

Wir segeln an der Uferlinie, vorbei an malerisch weißen Villen, umrandet mit hohen Palmen. Ian sagt mir, dass jedes dieser Häuser mindestens eine Million US-Dollar wert ist. Banker aus New York kommen hierher, wenn sie der Hektik entfliehen oder in den Ruhestand gehen wollen. Doch auch Hulk Hogan hat hier eine Villa. “Genau genommen gehört sie ihm nicht mehr. Er lies sich vor ein paar Jahren von seiner Frau scheiden. Sie hat sich das Haus erstritten und wohnt nun mit den Kindern hier.”, sagt mir Ian achselzuckend. “Hulk wohnt nun im Innland, ein paar Meilen von seinem ehemaligen Domizil entfernt.”

Nach gut zwei Stunden drehe ich den Spieß rum: “Hey Ian!”, sage ich. “Lass uns doch mal tauschen: Du segelst so schnell es geht zurück in den Hafen, und ich suche mir sicheren Halt am Katamaran. Zeig mal, was Du kannst!”

Und so segelt Ian mit einem höllischen Tempo mit dem Katamaran zurück zur Segelschule. Eine Seite des Katamarans hebt sich aus dem Wasser heraus. Er lehnt sich zurück, die Seile der Segel immer fest in der Hand. Nun grinst er nicht mehr nur. Nun lacht er. Schaut nach vorn. Genießt den Fahrtwind. Hier ist er in seinem Element.