Nachdem wir den Motorschaden auf der Autobahn überstanden hatten, erreichten wir nach einer knapp halbstündigen Fahrt endlich das Ziel unserer Reise. Es ging um die Abklärung von technischen Fragestellungen zwischen zwei Firmen, wobei ich für eine dieser Firmen arbeite.

So einen „Workshop“ (Warum muss eigentlich heute jeder Termin „Workshop“ genannt werden? Klingt „Workshop“ einfach nur produktiver als „Termin“?) muss man sich in etwa so vorstellen: Mindestens 5 mittelmäßig gut gekleidete Ingenieure sitzen in einem Raum, der einfach nur Neutralität ausstrahlt an grauen Tischen. An eine der grauen Wände wird ein Beamer-Bild projiziert. Jeder Ingenieur hat einen Laptop vor der Nase. Die Arbeiterbienen, die die eigentliche Arbeit erledigen, haben einen großen Laptop mit einem extra-großen Akku. Das Management hat kleinere Laptops mit kleineren Bildschirmen. Die großen Laptops der Arbeiterbienen haben eine Akkulaufzeit von so etwa 40 Minuten bis einer Stunde. Deshalb bringt eine Arbeiterbiene auch immer ein Ladegeräte für den großen Laptop mit. Nicht selten ist es so, dass das Netzteil der großen Laptops der Arbeiterbienen größer ist als der Laptop des Managements. So diskriminierend das klingen mag: So ist es.

Was den ziemlich langweilig aussehenden Raum auch ausmacht, ist mindestens eine White Wall, vor einigen Jahren noch liebevoll „Tafel“ genannt. Kreide gibt es schon lange nicht mehr. Heute schreibt man mit „Markern“. Gibt es in einem Meeting-Raum keine „White Wall“, gibt es aber mindestens eine „Flip Chart“, diese merkwürdige Konstruktion, wo ein übergroßer Notizblock auf drei metallenen Stelzen steht, damit man auch immer eine Fläche hat, auf die man etwas zeichnen kann.

Wann immer jemand in einem Termin jemand beschließt, einen technischen Sachverhalt auf Papier oder an eine weiße Wand zu malen, finde ich das interessant. Die Entscheidung dieser einen Person entschleunigt einen Termin ungemein: Ein Bild muss ja zunächst gemalt werden, danach wird es erklärt, und da niemand komplizierte Bilder malen möchte, wird ein komplexer Sachverhalt auch implizit immer vereinfacht. Großartig. Ich liebe das. (Wer mich also schwer beeindrucken möchte, braucht einfach nur ein Bild zu malen? Je genauer ich darüber nachdenken, desto „simpler im Gemüt“ fühle ich mich.)

Na, so schön die Idee des Malens auch klingt, so krachend kann es auch schiefgehen. Was genau mir heute passiert ist, war in etwa so:

Einer dieser Arbeiterbienen mit den monströsen Laptops fängt an etwas zu beschreiben: „Der Bereich sieht aus wie die Form einer Birne. Einer Glühbirne vielleicht.“ Dabei zeichnete er umrisse mit seinem Zeigefinger in die Luft und merkte, dass er dabei war, sein Umfeld zu verwirren und zu verlieren. Also – großer Fehler – griff er zum Stift und zeichnete … Trommelwirbel … einen Penis an die Wand. Mit Eiern. Das volle Programm.

Niemand lies sich zu diesem Zeitpunkt etwas anmerken. Aber jeder guckte mindestens so verwirrt wie zu dem Zeitpunkt, als er mit seinem Zeigefinger eine Birne in die Luft malte. Was tat er also: Er fing an, sein Bild zu detaillieren. Nun kamen auf wundersame Weise Haare an den Sack und Adern auf den Penis. So gut er es auch meinte, so verwirrend war es für alle, die sich dieses Spektakel ansehen.

Mein Kollege, der mit gegenübersaß, verlor die Fassung und lachte lautlos in seine vorgehaltene Hand. Ich verlor ebenfalls die Fassung, grinste wie verrückt und schaute einfach nur aus dem Fenster.

Das war auch der Punkt, an dem alle anderen realisierten, auf was die da schauten. Ich kann euch sagen: Das war sehr verwirrend, und alle haben einen Lachkrampf gekriegt. Bis auf den Typen mit dem Stift in der Hand: Der bekam einen roten Kopf.

Die Moral aus der Geschichte ist simpel: Seid vorsichtig, was ihr im Job an Wände malt!