Heute bin ich von München mit der Lufthansa zurück nach Berlin geflogen. Das ist ein Flug von so etwa 50-60 Minuten. Und während ich auf Langstrecken immer gern am Fenster sitze, ist es mir bei so kurzen Flügen meistens egal, wo ich sitze, solange ich nur pünktlich wieder zuhause ankomme.

Heute jedoch hatte ich Pech: In einem Flugzeug mit 25 Sitzreihen, saß ich in Reihe 25. Vielflieger werden nun schon erkannt haben, was das für mich hieß: Keine Staufächer für Gepäck. Denn was die wenigsten wissen: Die Gepäckfächer über den letzten 3-4 Sitzreihen sind medizinischem Equipment für die Crew des Flugzeugs vorbehalten und noch allerlei anderen Utensilien, die auf jedem Flug mit dabei sind. (Angeblich fliegt sogar immer eine Axt mit! Wofür ich dann allerdings mein Taschenmesser in einem Koffer aufgeben muss, habe ich nie verstanden.)

Mein Trick Nummer 1 bei „Reihe-25-Sitzplätzen“ ist: Sei beim Boarding einer der Ersten! Dann nämlich sind die Gepäckfächer der vorderen Reihen noch frei, und ich kann meinen Rollkoffer und Laptoptasche ungehindert reinwuchten.

Gesagt getan: Und so war ich einer der ersten im Flieger und stand ganz hinten, bei den Toiletten neben der Stewardess und begann mich mit ihr zu unterhalten. „Klassischer Smalltalk.“, würde ich sagen. Aber wußtet ihr, dass die Lufthansa ihre Crew im Schweizer Hof in Berlin unterbringt? (Zahle eigentlich nur ich zu viel für meine Flugtickets?)

Wenig später gesellte sich ein etwa 50ig-jähriger Typ neben mich. Er erhielt seinen Sitzplatz in Reihe 25, da er so spät gebucht hatte. Auch er blieb stehen und hielt mit einer Hand eine winzige Einkaufstüte, auf der etwas von „Underwear“ stand. Sofort war mir klar: Da ist kein Büstenhalter für seine Freundin drin.

Und während wir so zusahen, wie die Zu-Spät-Kommer Probleme hatten, ihr Gepäck in den Gepäckfächern zu verstauen, unterhielten wir uns. Vermeintlicher Smalltalk: Er arbeitet für eine Bekleidungskette für Unterwäsche mit Niederlassungen in Berlin, Köln und München. Mir war klar, wir reden nicht über „Hunkemöller“ oder ähnliche Läden. Nach peinlichen 1-2 Minuten des Schweigens fragte ich nur: „Brunos?“.

„Ja.“, war seine Antwort.
Ertappt.

Neben mir saß einer der 3 Inhaber von Brunos, wobei er einer der beiden aktiven Teilhaber ist. Sein Mann, mit dem er seit 22 Jahren in einer offenen Beziehung zusammenlebt, ist lediglich stiller Teilhaber. Gekauft hat er die schwule Unterwäsche-Marke, als diese Insolvenz anmeldete. 52 Mitarbeiter hat Brunos. Die Zentrale und auch das Lager sind in Berlin Neukölln.

Er selbst ist Schwabe, verbrachte die letzten 15 Jahre jedoch mit seinem Freund am Stadtrand von München. Dort wird es beiden nun jedoch zu langweilig, deshalb werden sie nun also nach Berlin Wilmersdorf ziehen, um in ihrem Alter noch einmal etwas zu erleben. Der vorherige Besitzer von Brunos hat sich übrigens erhängt, als er die drohende Insolvenz seiner Ladenkette nicht mehr abwenden konnte.

Ich habe Markus dann gefragt, warum er eigentlich eine insolvente Firma gekauft hat und worin er das Potential der Firma sähe. Eine klare Antwort habe ich nicht erhalten. Aus den Gesprächen, in denen wir jeder 2 Weißwein getrunken haben, entnehme ich aber, dass es mehr oder minder das Abenteuer war, das ihn gereizt hat. Markus ist einer, der es mag, Dinge auf solide Beine zu stellen. Er wirkte sehr bodenständig auf mich.

So schaffte er zum Beispiel die Luxus-Essenshäppchen ab, die sich der vorherige Besitzer von Brunos immer hat in die Firma liefern lassen. Auch erneuert er die technischen Infrastrukturen. Es war interessant zu hören, wie jemand durch das Treffen von Entscheidungen anfängt, ein angestaubtes und insolventes Unternehmen zu retten.

Wer jetzt denkt, dass Markus von Glück gesegnet ist, liegt aber auch falsch: Im Alter von 40 Jahren hat sein Freund einen Schlaganfall gehabt. Eine Fistel im Hirn ist geplatzt und hat eine Schwellung im Hirn verursacht. Ganz erholt hat sich sein Partner davon nie und kämpft seither mit Epilepsie-Anfällen und einem hängenden Augenlied. Über viele Jahre hinweg (das Ereignis is knapp 20 Jahre her) noch immer zu seinem Partner zu stehen, finde ich sehr gut und zeigt Größe. Von einem, der Brunos leitet, hätte ich das garnicht erwartet.

Am Ende dieses kurzen Fluges, trennten sich unsere Wege natürlich sehr schnell. Natürlich versprach er mir, dass wir in Kontakt bleiben. Doch damit rechne ich nicht. Bussi hier, Bussi da. So läuft das. So ist diese Welt. „Auf und davon“, nirgendwo sonst gilt das mehr als in Reihe 25.