Wenn ich mich jetzt vertippe, oder sonst einen Fehler im Ausdruck oder der Kommasetzung mache, würde ich von Bastian Sick, dem Autor der „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“-Bücher, mit Sicherheit ein eigenes Kapitel in einem seiner nächsten Bücher gehen. Wenn Bastian Sick über die deutsche Sprache schreibt, dann immer auf sehr unterhaltsame Weise. Er entlarvt witzige, komische und manchmal sehr skurile Sprachbesonderheiten und klärt, wie man die Besonderheiten erkennt und Fehler vermeidet. „Sind Sie die Kasse?“ ist die Überschrift eines der Kapitel, die ich in den letzten Tagen gelesen habe. Darin geht es um Menschen in Berufszweigen, die oft zu Kassen, Büchern oder Computern gehalten werden, wenn es darum geht, seine Ware zu bezahlen, Bücher zu finden, oder Computer zu kaufen. Wie auch immer, ich kann seine Bücher nur empfehlen. Lustig sind die mit Sicherheit, und ich bin mir sicher, dass jedem beim Lesen ein kleines Schmunzeln über das Gesicht läuft, wenn er seine Bücher liest. Ganz nebenbei hat man durch das Lesen sein eigenes Deutsch – vielleicht auch nur ein klein wenig – verbessert. Und damit ihr einen kleinen Eindruck davon bekommt, wie Bastian Sick schreibt, setze ich das Vorwort seiner dritten Auflage hier hin, denn bereits hier fängt man an, die Mundwinkel nach oben zu ziehen.

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod – Folge 3 – Vorwort:

bastiansickBeim Aufräumen fiel mir vor einiger Zeit mein erstes Grammatikheft in die Hände. Es musste noch aus der Grundschulzeit stammen. Auf dem Umschlag stand mein Name, und darüber in krakeliger Schrift „Gramatick“. Das mag orthografisch nicht ganz einwandfrei gewesen sein, ergab aber zumindest einen Reim. Ich weiß nicht mehr, ob ich damals geglaubt habe, Grammatik habe etwas mit „Tick“ zu tun und sei etwas für Spinner. Immerhin bin ich sehr bald zu der Erkenntnis gelangt, dass Grammatik nichts mit „Gram“ zu tun hat – im Gegenteil. Um künstlerisch oder spielerisch mit der Sprache umgehen zu können, muss man ihren Aufbau kennen und ihre Regeln verstehen.

Trotz des immer häufiger beklagten Verfalls unserer Sprachkultur stehe ich mit dieser Überzeugung nicht allein da. Das Interesse an meiner „Zwiebelfisch“-Kolumne und meinen ersten beiden Büchern hat es bewiesen. Und so habe ich weitergeschrieben – mit dem Ergebnis, dass nun der dritte Band über das Schicksal von Dativ und Genitiv vorliegt, jene fröhlichen und zugleich tragischen Helden der deutschen Grammatik. „Damit ist dem Sick seine Triologie komplett“, erklärte meine Nachbarin Frau Jackmann mit einem Augenzwinkern, mit dem sie zu erkennen geben wollte, dass ihr die Sache mit dem falschen „dem sein“ schon klar sei. Die andere Sache, die mit der zu lang geratenen Trilogie, war ihr hingegen nicht klar, sonst hätte sie mit beiden Augen gleichzeitig zwinkern müssen. Aber Frau Jackmann kommt aus dem Rheinland, und dort ist manches anders als im Norden. Im Norden ist wiederum manches anders als in Bayern, und in Bayern ist selbstverständlich fast alles anders als in Berlin, wo man dem Akkusativ gern mit den Dativ verwechselt.

In der Fuflgängerzone nicht weit von meinem Arbeitsplatz entfernt hat vor einiger Zeit ein Coffeeshop eröffnet, eines jener Schnellcafes nach amerikanischem Vorbild, wie man sie inzwischen in fast jeder Stadt findet. Bei schönem Wetter bestelle ich mir dort gelegentlich einen Milchkaffee im Pappbecher, setze mich hinaus in die Sonne und genieße den Augenblick. Die Pappbecher gibt es in drei Größen: klein, mittel und groß. So heißen sie aber nicht. In dem Coffeeshop heißen die Größen „regular“, „tall“ (mit langem, offenem „o“ gesprochen) und „grande“, also „normal“, „groß“ und „supergroß“. Ich bestelle mir immer einen großen Milchkaffee (der in Wahrheit also nur mittelgroß ist), und weil ich ihn draußen in der Sonne trinken will, bestelle ich ihn „zum Mitnehmen“. Der junge Mann an der Kasse ruft dann seiner Kollegin am Kaffeeautomaten zu: „Eine tolle Latte to go!“ Darüber amüsiere ich mich jedes Mal. „Eine tolle Latte to go“ das ist kein Deutsch. Das ist aber auch kein Englisch. Ein amerikanischer Tourist könnte mit einer solchen Bestellung vermutlich nichts anfangen. Es ist auch kein Türkisch, auch wenn der junge Mann laut Namensschild „Chem“ heiflt. „Eine tolle Latte to go“ ist moderner Verkaufsjargon, ein buntes Gemisch aus Deutsch, Englisch und Italienisch, wie es an keiner Schule gelehrt wird und wie es doch mitten unter uns wächst und gedeiht. „Eine tolle Latte to go“ ist eines von vielen sprachlichen Phänomenen, die dafür sorgen, dass mir der Stoff so schnell nicht ausgeht.

Ein anderer, munter sprudelnder (und hoffentlich nie versiegender) Quell der Inspiration sind die unterschiedlichen Regionalsprachen und Dialekte. Nicht überall bekommt man Kaffee oder Brötchen „to go“ – manchmal heißt das nämlich so: „Wat wollen Se de Brötchen für? Wollen Se die für zum Hieressen oder für zum Mitnehmen?“ Ich weiß nicht, ob das Wort „Hieressen“ im Duden steht, und ich bezweifle, dass sich das Aufeinandertreffen der Präpositionen „für“ und „zum“ mit dem Sprachstandard vereinbaren lässt, aber in einigen Gegenden Deutschlands „da jeh’t dat so“. Die Besonderheiten der deutschen Dialekte gehören zweifellos zu den schönsten Entdeckungen, die ich bei meiner Arbeit gemacht habe. Und täglich lerne ich Neues hinzu.

Dieses Buch enthält die Kolumnen, die im Laufe des vergangenen Jahres auf SPIEGEL ONLINE erschienen sind. Grammatikfreunde und Goldwaagenwärterwieger werden dabei ebenso auf ihre Kosten kommen wie Stilblütensammler, Dialektbestauner und Anekdotenliebhaber; denn es geht sowohl um spannende Themen wie Kongruenz und Adverbien, Syntax und Präpositionen als auch um ganz Alltägliches wie die Kartoffel, den Brotrest, den Urlaub auf Mallorca und den Friseur von nebenan. 2006 war für Deutschland das Jahr des Fuflballs, daher darf ein Kapitel zum Thema Fuflballerdeutsch nicht fehlen. 2006 war außerdem das Jahr, in dem die Rechtschreibreform in ihrer endgültigen Form in Kraft trat. Das zweite Kapitel dieses Buches kommentiert jenes bis heute umstrittene Werk und den mühsamen Prozess seiner Entstehung. Im Anschluss gibt es einen neuen Deutschtest – für alle, die ihr altes und neues Wissen gleich in der Praxis überprüfen wollen. Und zu guter Letzt wird das Abc aus dem ersten Band fortgesetzt, von „Albtraum“ bis „zurückgehen“.

Ich danke den Menschen, die mir bei der Arbeit an diesem Buch geholfen haben, namentlich Birgit Schmitz, Dörte Trabert, Anne Jacobsen und Pamela Schäfer. Vor allem aber danke ich meinen Lesern, ohne deren Anregungen, Fragen und Ideen dieses Buch nicht zustande gekommen wäre. Regeln kann man nachschlagen, Fakten kann man recherchieren – aber die schönsten Quellen für meine Geschichten sind die Fundstücke, die meine aufmerksamen Leser mir schicken, und die lustigen Begebenheiten, die man mir schreibt oder erzählt: „Wissen Sie, wie man hier bei uns sagt?“

Viel Spafl auch diesmal! Aller guten Dinge sind drei – oder, wie meine Freundin Sibylle sagen würde: Gut Ding will Dreie haben!

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