Es gibt im Urlaub diese Momente, da holt mich die Arbeitswelt ein. Wie jetzt, als ich von Christoph P. eine Nachricht bekam, dass es auf der Arbeit drunter und drüber geht. Das nahm ich zum Anlass danach zu fragen, wie weit denn seine Bewerbung bei der C. (G.- die Firma, die es noch nicht gibt) ist. Am kommenden Dienstag, meinte er, hat er die letzte und vierte Interviewrunde mit der C. für die Stelle, die man ihm in Aussicht stellte.
“Noch einer weg.”, dachte ich, als er mir das schrieb. Und erneut stellte ich mir die Frage, die ich vor 2 Wochen Alvaro stellte: “Werden wir die letzten sein, die die Musik spielen? Wie auf der Titanic?”. Niemand kann mir das beantworten. Ich habe nicht die Antwort darauf. Ich sehe, wie Kollegen, gute Kollegen, gehen. Ich kann ihre Entscheidung, HERE zu verlassen, nachvollziehen. Chaos, falsche Entscheidungen, falsche Köpfe an entscheidenden Positionen. Die Liste der Gründe ist lang. Zu lang für einige. Mir ebenfalls.
In solchen Augenblicken hinterfrage ich meine Entscheidung, der I. und M. eine Absage gesendet zu haben. Ich frage mich dann, ob ich mich anders hätte entscheiden sollen. Und ich komme zu dem Schluss, dass ich mich richtig entschied. Die I. hätte bedeutet, den gleichen Job, das gleiche Chaos und die gleichen fragwürdigen Zukunftsaussichten mit einem anderen Firmenausweis zu haben – bei all der Unsicherheit einer neuer Firma und einem neuen Chef, dem gegenüber es sich zunächst zu beweisen gilt. Und M. ist letztlich eine Unterbeauftragung von M.B. ohne eigene echte Identität. Das hätte ich noch hingenommen, wenn die Konditionen, Gehalt und Zusatzleistungen, gestimmt hätten. Aber das war nicht der Fall. Ich denke, dass ich mich damals, vor drei Monaten, richtig entschieden habe.
Außerdem stelle ich mir die Frage, ob ich was anderes machen sollte oder machen möchte. Dieses hoch Politische in meinem Arbeitsalltag nervt mich unglaublich. Meine Chefin, L., die beteuert, total unpolitisch zu sein, ist das Gegenteil: sie ist die politischste Person, die ich kenne. Mit viel Mut und einer gehörigen Portion Frechheit übersteht sie den Alltag erstaunlicherweise gut. Ihre Einstellung ist: „Auch Versagen ist eine Teamleistung.“, und nicht jeden Schuh zieht sie sich an. Was das betrifft, ist ihr „Fell“ dicker als meines. Sollte ich mir das bei ihr noch abschauen? Lernen, wie man besser mit dem Chaos, in dem wir alle stecken, klarkommt?
Heute, beim Lasagne-Abendessen in der Finca auf Gran Canaria jedenfalls, holten mich all diese Gedanken ein. Das veranlasste dann Steffen dazu, zu googeln, wie hoch das Arbeitslosengeld 1 (ALG1) ist. Antwort: 2.300€/Monat. Das würde man über 12 Monate hinweg bekommen. Er meinte: „Das ist garnicht schlecht. Deinen Alltag kannst Du damit bestreiten. Und weitergehende Verpflichtungen, wie das Abzahlen eines Hauses, haben wir nicht.“. Ich könnte im Grunde gelassen sein und auf die Dinge warten, die da kommen mögen. Im Grunde, wenn ich nicht mit meiner Karriere-Brille sondern der Realisten-Brille auf die Situation schaue, dann falle ich weich. Richtigerweise hat aber Steffen angemerkt, dass es für mich dennoch mit Sicherheit ein demütigender Moment sein wird, wenn ich zu der „ALG1-Stelle“ gehen muss, um diese Versicherungsleistungen beim Staat zu beantragen.
Ist es nicht komisch, dass ich all diese Schritte in meinen Gedanken durchspiele und mich damit verrückt mache. Ich wünsche mir, ich wäre mutiger, leichtfertiger. Wagemutiger. Entspannter. Einfach jemand, der mit dieser Situation wesentlich leichter klarkommt. Dass ich aber auf viele duzend ehemalige Kollegen zurückblicke, die mittlerweile in anderen Firmen arbeiten, zeigt, dass ich mit all den Überlegungen und Wünschen, die Dinge gelassener zu sehen, nicht allein dastehe.
Die Arbeitswelt ist merkwürdig. Ich sollte Lotto spielen. Das macht nicht glücklicher, aber die Dinge wesentlich entspannter.
Ein tolles Zitat von Armin Müller Stahl, dem Schauspieler, fällt mir hierzu ein: “Lieber ein Knick in der Karriere als ein Knick im Rückgrat.”. Wie wahr.