Dienstagabend. Endlich daheim angekommen. Schnell geduscht. Essen gemacht. Fernseher eingeschaltet. Mit einem Klingeln kündigt sich der erste Telefonanruf an. Meine Mum. Sie ruft immer an, wenn es etwas Wichtiges gibt, oder zuhause in Leipzig ein Brief für mich angekommen ist, der wichtig aussieht. Relativ schnell ist klar: Nichts Schlimmes: Ein Brief. Es wird noch ein bisschen über die kleinen Dinge des Alltages geredet. „Ja, mir geht es gut. Ja, ich habe viel zutun. Es ist nun mal Prüfungszeit. Ja, ich habe noch genug im Kühlschrank. Ja, ich schlafe auch genug. Oh ja, ich freue mich auf die Ferien. Und ganz sicher werde ich bald wieder nachhause kommen.“

Mit einem erleichterten aber lieb gemeinten: „Tschüss. Ja, ich hab dich auch lieb.“, lege ich den Telefonhörer wieder auf die Gabel und lasse mir endlich mein Abendbrot schmecken.

Zwanzig Minuten noch, dann fängt meine Lieblingsserie an. Das Telefon klingelt. Diesmal am Telefon: Ein ganz lieber Freund, der mich vermisst hat, weil ich mich schon länger nicht mehr bei ihm gemeldet habe.

Es geht um Frauen, Männer, das Studium, Partys und Urlaub, wann wir uns endlich mal wieder treffen und ob in Dresden auch so schlechtes Wetter ist. Mit manchen Menschen kann man sich echt ewig unterhalten. Meine Serie hat schon längst angefangen. Doch Freunde sind mir mehr wert, als unglaublich gutaussehende, charmante und witzige Schauspieler, die in meiner Flimmerkiste gerade zeigen, was sie auf dem Kasten haben.

Doch auch das längste Telefonat ist einmal zu Ende. Zeit für mich, endlich den Abwasch zu erledigen. Werbung vorbei, die Serie geht weiter. Ich habe zwar vollkommen den Anschluss verpasst. Doch das tolle an dieser Serie ist: Man lacht auch, wenn man nicht mehr genau weiss, worum genau es geht. Entspannung auf meinem Sofa. Ist das nicht ein herrlicher Abend.

Serie vorbei, Computer an. Dort blinken schon eifrig ein paar Nachrichten um die Wette. Der eine hat eine Frage, der andere eine Bitte. Ein paar wollen einfach nur „Hallo“ sagen. Fast alle Fragen beantworte ich, ein paar Bitten erfülle ich, doch ein „Hallo“ geht immer zurück.

Jemanden, den ich nur flüchtig kenne, fragt mich, ob er mich anrufen kann. „Ja klar“, schreibe ich. Ruf nur an. Eine Minute später klingelt das Telefon. Ohje … Habe ich schon gesagt, dass ich ein guter Zuhörer bin? Manche wissen das schon und schütten mir am Telefon ihr Herz aus. Viele schätzen an mir, dass ich wirklich zuhöre. Das tue ich auch. Und ich versuche zu helfen, auch wenn ich das nicht immer kann. Heute Abend kann ich es nicht. Für ihn war es trotzdem schön, mit jemandem darüber geredet zu haben. Er dankt mir. Ich wünsche ihm noch einen schönen Abend. „Morgen sieht die Welt ganz sicher schon viel besser aus.“, mein verzweifelter Versuch, ihm den Abend zu retten. Sicher schafft das heute niemand mehr, aber ich habe es wenigstens versucht.

Wieder etliche blinkende Fenster mit Nachrichten. Ich erspare mir nun, jedem zu antworten, denn ich bin zu müde und meine Finger zu faul, um auf jede Nachricht zu reagieren. Doch ein guter Freund drängelt – lieb aber bestimmt. Ich schreibe: „Am besten, ich rufe an. Das geht schneller und ich komme zeitiger ins Bett. OK?“. „Na klar, gerne.“, ist die begeisterte Antwort.

Nummer herausgesucht. Sieben Tasten trennen mich vom letzten Telefonanruf für heute. Ich freue mich auf mein Bett.

„Hey hallo, wie geht´s Dir denn?“

„Gut danke. Wie war Dein Tag?“, fragt er mich.

„Ich hab viel erlebt, viel gesehen und bin nun hundemüde.“ In Gedanken möchte ich noch hinzufügen: Und ich habe schon wieder viel zu lange mit diesem Telefonhörer in der Hand und am Ohr verbracht. Aber ich bin ja höflich. Und wäre es nicht so spät, könnte ich richtig lange mit ihm telefonieren. Ich verkneife mir meinen gedachten Satz.

Nachdem wir eine knappe halbe Stunde über Gott und die Welt geredet haben, stellen wir beide fest, dass es schon wieder fürchterlich spät geworden ist.

„Aber wann treffen wir uns denn mal wieder?“, fragt er mich.

„Hast Du am Wochenende schon etwas vor?“, meine ich nur, und verkneife mir ein Gähnen. Wenn man oft telefoniert, gewöhnt man sich eine Technik an, mit der man lautlos gähnen kann. Aber ich verrat sie keinem ;-)

„Gut. Dann treffen wir uns am Wochenende. Ich ruf Dich dann an und schreibe Dir wann und wo, in Ordnung?“

„Ja na klar. Ich freu mich auf das Wochenende.“, waren meine letzten Worte für heute. Müde lege ich den Hörer auf.

Es ist 0.28 Uhr, Zeit ins Bett zu gehen.

Gute Nacht!