Vor genau einem Jahr habe ich über sie geschrieben. Und auch heute kribbelt es mir in den Fingern, etwas über den Thomanerchor in Leipzig und die Thomaskirche zu schreiben. Schon seit Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten, besuche ich mit meiner Mum die Christvesper-Veranstaltung in der Thomaskirche. Für mich ist der Gang in die Kirche ein Teil des Weihnachtsgeschenks an meiner Mutter und reine Pflichterfüllung. Für meine Mutter ist es ein Stück traditionelle Weihnachtlichkeit.
Da sich Menschen wie ich normalerweise nicht in solche Kirchen verirren, schauen mich auch alle Grauhaarigen reichlich skeptisch an, beurteilen mich nach Schuh- und Hosenwahl, und stecken mich in eine ihrer vorgefertigten Schubladen. Auch wenn Schubladendenken heute verpönt ist, alte Leute dürfen dies ungestraft. Da meine Mutter das bereits kennt, stellt sie alljährlich die selben Fragen: „Muss es denn die Jeans sein, die so zerschlissen aussieht? Willst Du Dir nicht vielleicht nochmal die Schuhe putzen? Wenn Du ein Buch lesen willst, lass es mich einbinden, so dass niemand sieht, welchen Krimi Du liest.“ Ich könnte ewig so weitermachen.
Ich halte mich zurück, beiße innerlich auf meine Lippen und sage mir, dass in ein paar Tagen alles vorbei ist. Ich laufe brav mit in die Kirche, lasse die skeptischen Blicke, knarzigen Kirchenbänke und in Klischees denkenden Alten über mich ergehen. In ein paar Tagen mache ich um solche Situationen einen großen Bogen.
Bis zum nächsten Jahr.