“Ich hätte gern einen Kirschsaft.”, sage ich Ed, der mit David auf der Veranda des Dickens House sitzt. “Ich muss leider noch fahren.”, schiebe ich eilig hinterher, nur um seiner Gastfreundschaft keinen Abbruch zu tun. Ed schält sich aus dem urigen Sessel heraus, einer der Sessel, die einen förmlich verschlucken, in denen man sich aber so wohl fühlt, dass man nie wieder aufstehen möchte.
David sagte mir, dass ich das Dickens House unbedingt gesehen haben müsste, sonst würde ich ihm nicht glauben, dass Ed innerhalb einer Bauzeit von vier Jahren aus einer ehemaligen Absteige für Drogensüchtige ein wunderschönes B&B gemacht hätte, dessen Charme mir im Kopf bleiben würde.
Und er hat recht: Nichts in diesem über 100 Jahre altem Haus an die Vergangenheit. Alles wirkt sehr wohnlich, aufgeräumt, durchgestylt bis in die letzte Ecke. Ich grübele, ob dies nun ein Landhausstil ist, oder der Stil der 50iger oder 60iger Jahre. Ed zeigt mir die gemütlichen Betten, die ebenfalls so wirken, als würden sie mich verschlucken und nie wieder hergeben wollen.
“Mein Frühstück, Timm! Das musst Du erlebt haben!”, sagt mir Ed noch beim Verabschieden. “Das hat nichts mit einem amerikanischen Frühstück zutun. Das Frühstück hier zelebrieren wir – und lassen uns dabei richtig Zeit.” So vielversprechend dies auch klingt, mache ich mit mit David dennoch auf den Weg in die Nacht.
Unser erster Zwischenstopp ist das Beak’s St. Pete (Webseite nicht mehr verfügbar). An einem Montagabend haben die meisten Bars und Restaurants auf der ganzen Welt geschlossen. Nicht so das “Beak’s”. Während ich eines der lokalen Biere probiere, die mit allerlei Kräutern gemischt sind, lausche ich den Titeln einer etwas korpulenteren Frau hinter dem Mikrofon. Mit zart-seidener Stimme singt sie Musicaltitel und französische Chansons. Wehleidig klingt dies, selten hoffnungsvoll. Gebannt schaut ihr dennoch das volle “Beak’s” zu. Auch David und ich führen unsere Unterhaltung im leisteten Flüsterton, ehe auch wir gebannt und verträumt der Musik lauschen.
Für Europäer besonders interessant sind übrigens die Biersorten in den USA. In und um St. Petersburg gibt es übrigens unzählige Bierbrauereien. David erzählt mir, dass die Hauptzutaten des Biers zwar aus fruchtbareren Regionen nach Florida geschafft werden, hier jedoch die Veredelung stattfindet. Mit Kräutern, Früchten, Gemüsen und Ölen kreieren die Brauereien hier ganz anders schmeckende Biersorten als in Deutschland. So etwas wie das Reinheitsgebot gibt es in den USA nicht.
Und so trinke ich die eiskalten lokalen Biere mit Thymian- oder Orangengeschmack, begleitet von zarten Songs. Bei 28 Grad Celsius weht ein ganz leichter Wind durch das “Beak’s”. Warm und feucht ist die Luft. “Ein entspannter Sommerabend.”, denke ich.