Ihr kennt das bestimmt: „Wer einmal eine Reise tut, der hat was zu erzählen.“ Bei mir ist das ständig so. Auch heute in einem ICE der Deutschen Bahn auf dem Weg von Berlin nach Düsseldorf, in dem mal wieder alles schiefging, was schiefgehen kann.
Das ganze Elend ging schon damit los, dass ich mich in Berlin auf meinen Platz am Fenster im Großraumabteil des Ruhebereiches vom ICE setzte. Nur Sekunden später, wälzte sich eine ziemliche Wuchtbrumme neben mich, der ich von der ersten Sekunde ansah, dass sie mindestens anderthalb Sitzplätze benötigen würde. Doch sie fragte mich frei heraus: „Würde es ihnen etwas ausmachen, die Armlehne hochzuklappen?“.
Frei heraus sagte ich: „Ehrlich gesagt schon.“
Das saß. Und sie Sekunden später auch. Eingepfercht zwischen den Lehnen ihres Sitzes. Um genau zu sein, war die Armlehne zwischen unseren beiden Sitzen in einer ihrer Fettfalten verschwunden. Ich fühlte mich beengt.
Es dauerte keine 5 Minuten, und ich spürte rhythmische Tritte von hinten, gegen meine Sitzlehne. Ein kleines mexikanisches Kind wurde da anti-autoritär erzogen. Es durfte also plärren, singen, treten und schreien wie es wollte. Ein Blick in die Augen der Mutter verriet mir: Sie hatte das, was man Erziehung nennt, längst aufgegeben.
Ich atmete tief durch, klappte mein Buch auf, steckte mir Ohropax in die Ohren und versuchte, um mich einfach wegzudenken.
Gegen das Geschrei des Mexikaners hinter mir und das Drangsalieren meines Sitzes kamen jedoch auch Ohropax nicht an. Langsam aber sicher stand mir die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben, da mir klar wurde, dass ich unter diesen Verhältnissen die nächsten 4-5 Stunden verharren musste.
Also nahm ich all meinen Mut zusammen, reckte mich in die Höhe und machte die überforderte Mexikanerin darüber aufmerksam, dass das hier ein Ruheabteil ist und deutete ganz unmissverständlich auf die Banderolen über den Fenstern, die in acht Sprachen dieses Zugabteil als Ruhebereich auswiesen. Die jedoch (und auch ihre beiden Onkel, Brüder, Männer … mir egal) stellte sich auf dumm. Ich dachte nur: „Verdammt!“, und glitt neben der dicken Frau zurück in meinen Spalt zwischen dem Fenster und ihr.
Doch die Bahn half mir heute: „Aufgrund eines Oberleitungsschadens auf der vorausliegenden Strecke, wird dieser Zug über Münster umgeleitet. Wir erreichen Köln mit einer Verspätung von 60 Minuten.“
Warum sie mir half? Sie hatte ihre Technik nicht im Griff, und die Mexikaner sprachen und verstanden kein Deutsch. Die Anzeigetafeln in unserem Wagen, wussten von dem Oberleitungsschaden natürlich nichts und zeigten noch immer an, dass wir in einer halben Stunde in Dortmund ankommen würden. Die Ansagen zur Umleitung und der Tatsache, dass wir in Münster halten würden, wurde jedoch von den Mexikanern missverstanden. Um es kurz zumachen: Das Treten gegen meinen Sitz, die lauten Schreie, das Gejaule und Geheule fanden in Münster ein Ende, da die Mexikaner zwar nach Dortmund wollten, aber letztlich in Münster gestrandet sind.
Ich sag euch: Die Ruhe auf einmal!
Nun komme ich zwar noch immer über eine Stunde zu spät an meinem Ziel an. Aber immerhin ist der Weg dahin leise.