Während der Fussball-EM haben im Prenzlauer Berg beinahe alle Cafés ein Schild mit der Aufschrift „Public Viewing“ auf die Straße gestellt. Gemeint war, dass die Kunden, die sonst nur ein Bier auf den Tisch gestellt bekamen, nun noch einen Fernseher oder eine Leinwand bestaunen durften, auf dem das gerade aktuelle EM-Spiel lief.

Manchmal hatte ich den Eindruck, dass sich die Cafés gegenseitig gepusht haben, sich also alle in Zugzwang begeben haben. Da wurden Betttücher über die Straße gespannt und Flachbildschirme in Malerfolie gepackt, damit sie dem eintretenden Regen trotzten. Dort wurden Bierbänke angebaut, Partyzelte errichtet und Fahnen überall dort aufgehängt, wo es möglich war. Dies alles nur, um die fussball-fixierte Masse anzulocken.

[singlepic=19,250,170,,left]Doch das Konzept ging schließlich auf. Auch wir verbrachten den Finalabend in einem unserer Lieblingslokale, dem Bangin (1). Leider bekamen wir nur einen mäßig guten Platz vor dem auf der Straße aufgestelltem Fernseher. Glaubt man dem Kellner, der uns an diesem Abend betreute, haben die ersten Kunden bereits Wochen im Voraus die besten Plätze vor dem Fernseher reserviert.

Natürlich bekam der Fernseher, wie überall, über DVB-T, dem digitalen Fernsehen, das in den letzten Jahren immer wieder mit dem Überall-Fernsehen beschrieben worden ist.

Leider kam kurz vor Anpfiff des Finales (Deutschland vs. Spanien) eine Kundin auf die glorreiche Idee, in der Nähe der DVB-T-Antenne zu telefonieren. Sekunden später zuckte das Bild, der Ton stockte, und alle Gäste des Bangin’s straften die Kundin mit bösen Blicken. Kurz vor Anpfiff eines EM-Finales mit deutscher Beteiligung, war schließlich nichts wichtiger als das EM-Finale.

[singlepic=17,250,170,,left]Der Abend hätte so schön werden können, hätte die deutsche Mannschaft von Jogi Löw den EM-Titel für Deutschland erspielt. Doch letztlich unterlagen wir den Spaniern. Allen Unkenrufen zum trotz meiner Meinung nach sogar zu Recht.

So endete unser Public Viewing mit der Ernüchterung, dass es vor dem eigenen Fernseher zuhause vielleicht nicht so holprig und in Gesellschaft abgelaufen wäre, keineswegs jedoch ungemütlicher. Denn ich saß mitten auf dem Gehweg, und alle Passanten, konnten mir über den Rücken und auf den Teller schauen.
Das Begriff „Public Viewing“ wird nun – versprochen – eingemottet und erst in zwei Jahren, zur nächsten Fussball-Weltmeisterschaft, herausgekramt und von mir und den Medien aufs Neue strapaziert.

Bis dahin viel Spaß beim Fernsehen gucken – wo auch immer.

(1) Update 24.01.2010: Mittlerweile ist das Bangin pleite und wurde von einem neuen Wirt übernommen.