Es gibt einfachere Themen, einen Blog zu beginnen. Jedenfalls würden meine heterosexuellen Kollegen sicher so denken. Für mich ist das Thema ein Ballance-Akt zwischen zwei Welten, denn ich trenne Berufliches und Privates sehr deutlich. Der CSD teilt die Menschen in drei Gruppen: diejenigen, die ihn toll und interessant finden, diejenigen, denen der CSD im Grunde egal ist und schließlich noch jene, die ihn nicht verstehen, denn Sinn nicht erkennen können oder wollen.

Jedes Jahr aufs Neue versammeln sich die Schwulen und Lesben in Berlin, um die Aufmerksamkeit der Massen auf sich zu richten. Sie demonstrieren für eine tolerantere Gesellschaft, denn noch lange nicht wird so viel Akzeptanz und Toleranz gelebt, wie sie in den Medien häufig veranschaulicht wird.

Dass es in den Soaps der Vorabendprogramme auf privaten und öffentlichen nun schon zum guten Ton gehört, eine schwule Geschichte zu integrieren, oder man in einigen Serien den Quoten-Schwulen etabliert hat, ist jedoch keineswegs selbstverständlich. Jahrzehntelang hielten Tagesschaussprecher wie Wilhelm Wieben oder Werner Veigel ihre homosexuellen Neigungen geheim. Auch Politiker wie Klaus Wowereit oder Volker Beck scheuten sich lange, ihre sexuellen Neigungen zu offenbaren.

Es ist noch gar nicht so lange her, da war Homosexualität aufs Strengste verboten und wurde mit harten Strafen belegt. Auch wenn es in der DDR, in der ich aufgewachsen bin, offiziell keine Strafen gegen Schwule gab, wurden sie dennoch verfolgt und gedemütigt, so dass es ein offenes schwules Leben praktisch nicht gab. Auch heute noch wird homosexuelles Leben in vielen Ländern der Erde verfolgt und unter Strafe gestellt.

[singlepic=16,250,170,,right]Dies alles sind Gründe, weshalb es am vergangenen Wochenende zehntausende auf die Straßen von Berlin trieb. Schwule und Lesben in Berlin machten aus der Demonstration eine Party, die eine Menge schaulustige Touristen anlockte. Auch wir waren mitten drin. Wir hatten zwar keine Banner in der Hand, verteilten auch keine Flyer oder rissen uns die Kleider vom Leib, doch wir waren mittendrin.

Was mich dennoch immer wieder stört, ist das klischeebehaftete Bild, das die Medien von diesem Event zeigen. In der Tagesschau am Abend nach der Demonstration sieht man dann mit Federboas bepackte, in Kleider gehülte und auf Pfennigabsätzen stolzierende Transen. Man sieht eingeölte Fitness-Junkies, die nicht nur mit Anabolika vollgepumpt ihre Brustwarzen in die Kameralinse drücken. Das ist – leider – das Bild, das die Tagesschau vom CSD in Berlin vermittelt.

Klar gehören auch sie „dazu“. Doch sie fallen nur auf, weil sie aus dem Rahmen fallen, unterhaltsam sind und in das klischeebehaftete Erwartungsbild der breiten Masse passen. Dass es hunderttausende in Deutschland gibt, denen man tagtäglich begegnet, und von denen man nie vermuten würde, dass sie schwul oder lesbisch sind, wird nicht erwähnt. Doch sie sind es, die unter dem Klischeebild leiden. Das ärgert mich.

[singlepic=13,250,170,,left]Der Welt wird ein mediales Bild von Schwulen und Lesben vor die Nase gehalten, das ihre Einstellung zu dem Thema Homosexualität dauerhaft prägt. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie ein bayrischer Bauer mit seiner Frau am Abend vor dem Fernseher sitzt, die geöffnete Dose Bier in der Hand hält, und seiner Frau sagt: „Diese Schwuchteln da oben in der Berlin sollen nur ja dort bleiben, wo sie sind. So was hier bei uns im schönen Bayern. Das wäre ja das Letzte“.

So lange es Menschen gibt, die in Gedanken mit dem Finger auf Schwule und Lesben zeigen, hinter vorgehaltener Hand tuscheln und Witze aus dem Ärmel schütteln, die sicher nicht mehr zeitgemäß sind, so lange wird es den CSD geben. Und, um Klaus Wowereits Worte noch einmal zu strapazieren, das ist auch gut so.

Dem Bauern aus Bayern sei übrigens noch gesagt, dass es auch in München einen CSD gibt. Dieser ist, nach Berlin und Köln, der drittgrößte in ganz Deutschland. Schwule und Lesben gibt es überall, auf der ganzen Welt, in allen Berufszweigen, in allen Firmen, im Film, im Fernsehen und in beinahe jedem Freundeskreis.