Wo, wenn nicht hier, könnte man besser einen Bericht über Berlin schreiben. Mit meinem Laptop sitze ich direkt „Unter den Linden“. Schaue ich über meinen Monitor, sehe ich das Brandenburger Tor. In meinem Rücken befindet sich das Adlon und ab und zu vibriert meine Parkbank, auf der ich sitze. Denn unter mir rauscht die Berliner U-Bahn lang.
Berlin ist schnell, lebendig, geschäftig und DAS Ziel für Touristen in Deutschland. Aber nicht nur die Touristen sind fasziniert von dieser Stadt, die von allem etwas und von dem meisten noch viel mehr zu bieten hat.
Als ich heute Vormittag mit der U-Bahn gefahren bin, hörte ich über meinen Mini-Discman die Musik der Loveparade von 2003. Ich weiss nicht woran es liegt, aber die Musik passte zu dem hektischen Treiben der Leute in der U-Bahn Bahnhof Zoo. Sie schienen sich praktisch im Rhythmus der Musik zu bewegen. Jeder lief schnell, hektisch und zielgerichtet auf sein Ziel zu. Keiner schaute sich um. Jeder hatte es eilig.
In die U-Bahn, in die ich einstieg brannte kein Licht. Also fuhr die Bahn in den dunklen U-Bahn-Tunnel ein und es wurde finster in dem Abteil, in dem auch ich stand. Das einzige Licht kam von einer Bereitschaftsanzeige im Abteil. Sonst war es dunkel. Jeder schaute ins Leere, mit den Gedanken vollkommen woanders, nur nicht in der U-Bahn.
Vor 15 Jahren hätte man mich vielleicht noch ausgelacht, hätte ich jemandem erzählt, dass ich mit Handy und Laptop durch das Brandenburger Tor gehe, als wäre es das normalste der ganzen Welt. Für die meisten Berliner Studenten ist es jedoch genau das. Jeden Tag brausen sie mit ihren Fahrrädern durch das Brandenburger Tor, das nach jahrelanger Sanierung wieder in neuem Glanz erstrahlt. Heute, dem 7.6.2004 gehe ich nicht auf den Bundestag. Denn davor war heute eine 100m lange Warteschlange. Obwohl man diesmal auch in die begehbare Rundkuppel gehen könnte, habe ich Berlin von da aus bereits bei Nacht gesehen.
Im März 2004 habe ich dank einem guten Freund mitten im Regierungsviertel in einer wunderbaren Wohnung mit Blick auf das Bellvue und die Siegessäule wohnen können. Erzähle ich heute, dass ich damals nur wenige hundert Meter vom Kanzleramt entfernt gewohnt habe, schauen mich die Menschen an, als wäre dies etwas ganz besonderes. Doch hier in Berlin ist dies das normalste der ganzen Welt.
Um ehrlich zu sein, war ich vom Alexanderplatz ein wenig enttäsucht. Viel grösser habe ich mir die Weltzeituhr vorgestellt. Auch das geschäftige Treiben auf dem Alexanderplatz fiel eher mager aus. Nur ein paar Schüler, die mit ihrer Zeit nichts anzufangen wussten, schlenderten von dem einen Super-Store zum nächsten.
Ja, in Berlin ist alles etwas grösser und gewaltiger. Doch trotz dieser riesigen Läden, tausenden Polizisten und etlichen Botschaften hier „Unter den Linden“ habe ich nicht das Gefühl, dass Berlin abgehoben wirkt, ganz im Gegensatz zu München.
Obwohl ich hier ein Fremder bin, fühle ich mich hier jedes Mal wohl. Ich habe keine Ahnung, woran genau das liegt. Denn nirgendwo sonst kann man so anonym durchs Leben gehen wie in Berlin. Trotzdem ist es so.
Heute habe ich auch die Technische Universität in Berlin besucht. Nicht für umsonst, denn so wie es momentan aussieht, werde ich ab Oktober 2004 mein Praktikum absolvieren. Also schaute ich mich nach einem WG-Zimmer um. Auch hier gibt es in der Mensa „Schwarze Bretter“. Aber nicht nur ein oder zwei, sondern so viele, dass ich gar nicht weiss, wo ich zuerst hinsehen soll.
Noch immer sitze ich auf der Parkbank „Unter den Linden“. Ja genau. Über mir ist wirklich eine Linde. Ich finde das richtig cool. Schaue ich mich um, sehe ich auf den ersten Blick fast nur Touristen. Diese erkennt man meistens an dem riesigen Falt-Stadtplan oder einem Fotoapparat in der Hand, manchmal auch beides. Mir gegenüber sitzt ein Geschäftsmann in Anzug und Krawatte. Wahrscheinlich hat er gerade seine Mittagspause, denn er liest ein Buch von Steven King. Im Cafe gleich nebenan, sitzen Touristen und freuen sich – genau wie ich – ihren Kaffee hier, auf DER Strasse in Berlin zu trinken. Neben mir auf der Bank sitzt der Fahrer eines 7er-BMW vom Hotel Adlon. Wenn Michael Jackson oder Thomas Gottschalk in Berlin wohnen, dann in diesem 5-Sterne-Hotel, das erst seit 2 Jahren im neuen „alten Glanz“ erstrahlt.
Doch was schreibe ich eigentlich so viel? Man muss Berlin einmal live erlebt haben. Nur dadurch kann man dieses Hauptstadt-Gefühl wirklich beschreiben.