Man sagt immer, dass es Momente im Leben gibt, da fängt man an zu zweifeln. Oft sind diese Momente mitten in der Nacht. Genau einen solchen Augenblick habe ich jetzt. Man sagt auch, dass man die Gedanken, die einen um den Schlaf bringen, aufschreiben soll. Man soll sie gedanklich ablegen. Genau das habe ich jetzt vor. Denn andernfalls grüble ich immer weiter und komme doch auf keine Antwort.
Doch worum geht es eigentlich? Es geht schlicht und einfach um meine Zukunft und die Frage: Soll ich jung, dynamisch und flexibel sein, nach Berlin gehen und meinem Traumjob einen Schritt näher gehen. Oder sollte ich stärker auf meine Finanzen achten und lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach annehmen?
Niemand kann mir eine definitive Antwort auf diese Frage geben. Jeder würde mir sagen, dass ich selbst eine Entscheidung finden muss. Doch so sehr ich die Vor- und Nachteile abzuschätzen versuche. Eine „richtige“ Antwort habe ich bis jetzt noch nicht finden können.
Zum einen könnte ich nach Berlin gehen. Dort bietet mir das Heinrich-Hertz-Institut, das zur Frauhofer-Gesellschaft gehört, ein Praktikum auf dem Gebiet der digitalen Bildverarbeitung an. Schon beim Vorstellungsgespräch sagte man mir, dass ich als Praktikant nur etwa 100 Euro pro Monat verdienen würde. Das ist wirklich nicht viel. Zum Leben ist es sogar erheblich zu wenig. Da mich die digitale Bildverarbeitung aber schon immer interessierte, suchte ich mir in den vergangenen Wochen sehr aufwendig eine Wohnung in Berlin. Möbliert und möglichst preiswert sollte sie sein. Nach langem Suchen habe ich sie auch gefunden. Ob sie mit 250 Euro jedoch wirklich preiswert ist? Darüber kann man streiten. Auf jedenfall ist sie komplett eingerichtet und die 250 Euro sind die Warmmiete. Mehr Geld für meine Unterkunft werde ich wohl nicht bezahlen müssen.
Bekomme ich 100 Euro pro Monat, werde ich allerdings 150 Euro drauflegen müssen, die ich gegenüber einem Praktikum hier in Dresden nicht hätte. Momentan bekomme ich 230 Euro vom Bafög-Amt, 360 Euro von meiner Mutter und 33 Euro von meinem Vater. Das sind ca. 600 Euro zum Leben. Mit den 100 Euro Verdienst im Fraunhofer hätte ich 700 Euro. Davon gehen 250 Euro für die Wohnung in Berlin und etwa 220 Euro für die Wohnung hier in Dresden ab. Bleiben mir also 700-470 = 230 Euro zum Leben.
Nimmt man an, dass ich ca. 60 Euro pro Woche für Nahrung und Kleidung und Medikamente brauche, bin ich schon mit 10 Euro im Minus pro Monat. Das ist also kein gutes Ergebnis. Nach dem Praktikum bekomme ich pro Monat etwa 150 Euro den ich gearbeitet habe nachgezahlt. Allerdings muss ich dafür eine schriftliche Arbeit anfertigen, über das Themengebiet, auf dem ich gearbeitet habe. Somit hätte ich dort pro Monat ( nimmt man an, dass ich die 150 Euro vorauszahle, von meinem eigenen Konto versteht sich ) 230 und 150 Euro sind 380 Euro zum Leben. Zieht man davon 240 Euro zum Leben ab, bleiben 140 Euro, mit denen ich im Plus bin.
Auf der anderen Seite wartet in München der DLR auf mich. Die Aufgabe, die ich dort bekommen würde, klingt zwar nicht uninteressant, jedoch ist sie auch nicht das, was mich wirklich interessiert. Dort würde ich aber einen Verdienst von ca. 600 Euro bekommen. Ein Zimmer habe ich auch schon, das mich etwa 200 Euro kosten würde. Habe ich momentan 600 Euro zum Leben, kommen weitere 600 Euro Verdienst hinzu. Zieht man von diesen 1200 Euro 420 Euro für die beiden Wohnungen in München und Berlin ab, bleiben mir 780 Euro pro Monat zum Leben. Das ist ganz ordentlich. Zieht man davon etwa 100 Euro Lebenshaltenskosten ab ( ja, in München ist das Leben teurer ), bleiben mir 380 Euro, mit denen ich im Plus bin. Und das pro Monat.
Weiterer möglicher Praktikumsstandort ist Dresden. Hier würde ich im Kamerawerk Dresden arbeiten. Der Job ist nicht wirklich interessant und die Praktikumsstelle hat auch nicht wirklich einen Ruf. Dort würde ich jedoch etwa 500 Euro pro Monat Verdienst erhalten. Geht man wieder davon aus, dass ich 600 Euro von Vater Staat und meiner Mutter bekomme, wären das 1100 Euro pro Monat. Davon gingen ausschliesslich 220 Euro für meine Wohnung in Dresden ab. Ansonsten wären keine weiteren Ausgaben. Damit hätte ich 880 Euro zum Leben. Zieht man davon wieder 240 Euro zum Leben ab, bleiben mir 640 Euro, die übrig blieben.
So. Und was soll ich nun machen:
Lösung 1: Praktikum in Dresden
- langweiliges Praktikum
- gute Bezahlung
- macht sich im Lebenslauf evtl. schlecht, weil man niemals ausserhalb von Dresden war
- ich bleibe in meinem Umfeld und in meiner Wohnung
- ich habe keine finanziellen Probleme
Lösung 2: Praktikum in München
- anspruchsvolles Praktikum in einem namenhaften Betrieb ( immerhin DLR )
- ich kann nicht viel verdienen, aber es reicht, um in München über die Runden zu kommen
- meine Wohnung in Dresden kann ich mit gutem Gewissen halten
- ich gebe meinem beruflichen Werdegang eine entscheidende Richtung, von der ich jetzt noch nicht weiss, ob es die richtige ist.
Lösung 3: Praktikum in Berlin
- Praktikum in einem sehr interessanten Unternehmen
- Da Forschungseinrichtung, verlangen die viel von mir
- Wunsch-Berufsrichtung !!!
- Finanzielle Probleme, weil das Fraunhofer schlecht bezahlt
- Praktikum in einer tollen Stadt
- Evtl. weitere Ausgaben für Nahverkehr
Ausweg 1: Bringe mich finanziell mit eigenen Mitteln auf das Niveau von München und gehe nach Berlin.
Will ich in Berlin nicht 10 Euro miese machen, sondern pro Monat etwa 200 Euro im Plus sein, heisst das: Pro Monat etwa 210 Euro aus eigener Tasche zahlen. Bei 6 Monaten Praktikum ergibt das: 6 x 210 Euro = 1260 Euro aus der eigenen Tasche … Unter Umständen ist das drin, aber auch viel Geld.