Eine Woche Berlin liegt hinter mir. Die anfängliche Faszination über die Stadt ist der Realität gewichen. In dieser Woche habe ich mir von Freunden aus Dresden eine Menge über diese Stadt anhören müssen: „Berlin ist groβ, kalt und rau.“. Einer sagte mir sogar, dass Berlin für ihn zwar eine Stadt sei, in der man gut „Party machen könnte“, in der er jedoch niemals leben würde.

Erneut sitze ich in einem Intercity auf dem Weg nach Dresden. An mir ziehen nicht nur Berlin vorbei, sondern auch die Erfahrungen, die ich in der letzten Woche haben sammeln dürfen. Und es waren echt einige, nicht immer schöne Erlebnisse. Sie bestätigen, was mir meine Freunde aus Dresden sagten.

So habe ich gelernt, dass der Berliner Stadtteil Moabit nicht der Beste ist. Dennoch wohne ich in ihm. Mit einem guten Freund aus Dresden bin ich abends durch die Straβen gelaufen. Ein ziemlich angetrunkener Halb-Türke, der schon einige Gläser über den Durst in sich hatte, pöbelte uns an und meinte: „Lust auf eine Schlägerei? Ich habe gerade ‚Bock’ drauf.“. Noch ehe wir verstanden, was er meinte, rückte er uns auch schon entschieden zu dicht auf die Pelle. Mit etwas Glück und einer ordentlichen Portion Ignoranz liefen wir davon. Nein. Schlagen wollten wir uns nicht.

Vor einer Woche setzte ich ein Gedicht in dieses Newsboard, das ich in einer U-Bahn-Haltestelle in der Nähe meines Wohnortes gelesen hatte:

Lass das Fremde dich nicht fangen in seinem Netz.
Sieh den anderen an und langsam
die Vergänglichkeit des fremden Augenblickes greift
dann ratlos nicht mehr durch dich hindurch.

Gestern saβ ich in einer U-Bahn irgendwo zwischen Alexanderplatz und Zoologischem Garten. Über die Monitore, die zahlreich von der Decke hingen, konnte ich die Frage lesen: „Warum lächelt in der U-Bahn keiner? Warum schaut jeder ins Leere?“. Ich sah mich um, beobachtete die Menschen. Und da war doch jemand, der mich anlächelte, immer wieder, aber warum? Es passiert mir sehr oft, dass ich Menschen ansehe und diese mich anlächeln, einfach so – ohne einen einzigen Grund.

So war das auch gestern, und als ich aussteigen wollte, wurde mir ein Zettelchen in die Hand gedrückt, mit dem ernst gemeinten Hinweis. „Melde Dich doch mal, ich würde mich freuen.“.

In meiner Berliner Wohnung angekommen, legte ich diesen Zettel vor mich. „Melde Dich doch mal.“, stand drauf – mit einem roten Filzstift, hektisch auf ein Fetzen Papier gekritzelt. Dazu eine E-Mail-Adresse. Wie einsam sind Menschen, dass sie Fremden in der U-Bahn Zettelchen mit ihren E-Mail-Adressen zustecken? Es dauerte eine Weile, bis ich verstand. Zwar leben in Berlin viele Menschen dicht an dicht, vor dem Alleinsein schützt das trotzdem nicht. Und so greift man nach Strohhalmen. Was hat man schlieβslich zu verlieren? Richtig: nichts.

Da ich nicht nur neu in der Stadt war, sondern zudem niemanden kannte, schrieb ich eine Mail. Ich hielt sie kurz, relativ oberflächlich, trotzdem freundlich mit einer Portion Witz in der Stimme. Nun warte ich auf eine Antwort. Ich bin gespannt.

Marcel, ein guter Freund, sagte mir, dass ihm Dresden vorkam wie ein gröβeres Dorf, als er nach 14 Tagen Berlin-Urlaub in seine Heimat zurückkehrte. Ich bin gespannt, wie Dresden auf mich wirken wird. Doch ich freue mich auf Dresden, weil ich dort nicht nur eine wunderschöne Wohnung habe, sondern auch eine Menge guter Freunde, denen ich wegen meinem Praktikum in Berlin für mindestens ein halbes Jahr den Rücken zukehren muss. Es wird nicht leicht, das hat aber auch niemand gesagt. Und: Ich wollte es so.

Kleiner Nachtrag:

In Dresden angekommen, finde ich die Stadt immer noch toll. Und wie ein Dorf kommt sie mir auch nicht vor.