Ich bin angekommen. Ich sitze in meiner neuen Wohnung, in der ich mindestens ein halbes Jahr bleiben werde. Diese Wohnung ist mein Schritt raus aus Dresden hinein in das Abenteuer Berlin.

Man sagt: Am Anfang ist alles spannend, neu und aufregend. Und das ist es auch. Gestern saß ich in einem der vielen Doppelstock-Busse von Berlin – ganz oben, ganz vorne. Ich liess mir vom Fahrer Berlin zeigen. Ganz egal, ob man am Reichstag, dem Brandenburger Tor, Unter den Linden oder dem Alexanderplatz vorbeifährt. Die Gebäude von Berlin und deren Geschichte, wegen der viele Touristen nach Berlin kommen, gehört für die Berliner zum selbstverständlichen Alltag.

Für mich gehören diese Orte jedoch noch nicht zum Alltag. Wie ein Tourist schaue ich mich um. Manchmal bleibt mir schon fast der Mund offen stehen.

Mir ist aufgefallen, dass ich im Laufe der Jahre in immer grössere Städte gezogen bin. Meine Kindheit verbrachte ich in Leipzig und nahm dort an den wohl allen bekannten Montags-Demonstrationen teil. Mit achtzehn Jahren bin ich schliesslich nach Dresden gezogen, die Stadt, die mit am schwersten im Zweiten Weltkrieg zerstört worden ist. Nun bin ich in Berlin, der Stadt, die vor bedeutenden Persönlichkeiten, geschichtlichen Ereignissen, und historischen Plätzen überquillt.

Meine Mum drückte mir vor einigen Wochen einen Reiseführer von Berlin in die Hand. Es ist einer dieser Reiseführer, die mehr Bilder als Texte haben. Für sie ist es eine Art Tradition, mir einen Reiseführer der Stadt zu geben, in der ich gerade lebe. Noch bin ich nicht mit ihm unterwegs gewesen. Doch für die kommenden Wochen habe ich mir das fest vorgenommen. Während meiner vier Jahre in Dresden fand ich es oft recht schade, dass ich nur sehr wenig über kulturelle und geschichtliche Ereignisse in und um Dresden Bescheid wusste. In Berlin möchte ich das ändern. Ich will alle Seiten von Berlin kennen lernen. Dazu gehören die Tourie-Strecken ebenso wie die abgelegenen Stadtteile mit eher schlechtem Ruf.

Vor etlichen Jahren habe ich einmal im Fernsehn gehört, dass die Menschen aus den Grossstädten schneller laufen als aus Kleinstädten. Das ist mir schon aufgefallen als ich von Leipzig nach Dresden gekommen bin. Während der letzten beiden Tage in Berlin habe ich das auch wieder gemerkt. Gerade in der U-Bahn herrscht ein hektisches Treiben. Jeder möchte so schnell es geht zu seiner U-Bahn. Hektisch laufen die Menschen die Treppen hinunter und Rolltreppen hinauf, schlagen Haken und schauen eilig auf die Baustellenschilder. In Berlin läuft wirklich vieles schneller. Der Nahverkehr ist auf die Minute abgestimmt. Die U-Bahn kommt an und schiebt die stickig-warme Luft vor sich her in den Bahnhof. Hunderte Menschen verlassen die 200 Meter lange Bahn. Ebenso viele wollen hinein. Man könnte denken, dass so viele Menschen sehr viel Lärm machen. Was mich anfangs beunruhigte, scheint aber ganz normal zu sein. Während sich die U-Bahn ihren Weg durch die Tunnel sucht, herrscht in der Bahn absolutes schweigen. Wäre nicht das Räderrollen und Wagen-Knarren, könnte man bestimmt eine Stecknadel fallen hören. Warum das so ist, weiss ich gar nicht.

Den nachfolgenden Spruch habe ich in einer U-Bahn-Haltestelle in der Nähe meiner Wohnung gelesen. Ich fand ihn ganz gut. Praktisch ist er so etwas wie mein Lebensmotto.

Und er sprach
Lass das Fremde dich nicht fangen in seinem Netz.
Sieh den anderen an und langsam
die Vergänglichkeit des fremden Augenblickes greift
dann ratlos nicht mehr durch dich hindurch.