Da ich am 19. September keine Zeit habe, zur Wahl zu gehen, entschloss ich mich heute, meine Stimme schon eher abzugeben. Ich ging ins Rathaus, besorgte mir alle notwendigen Papiere und fand mich plötzlich in einer provisorisch aufgestellten Wahlkabine mitten im Rathaus wieder.

Nachdem ich die vielen Zettel vor mir ausbreitete, spürte ich zunehmend die Unsicherheit in mir. Zum ersten Mal wählte ich bewusst. Mir wurde klar, dass meine Stimme, wenn auch nur zu einem geringen Teil, zählt. Sicherlich kann ich mit ihr nichts bewegen. Und doch stellte ich mir die Frage: Wen soll ich wählen? Wo soll Deutschland hingehen?

Ich las mir die einzelnen Parteien und ihre jeweiligen Vertreter durch. Alle nichtssagend. Sollte ich die kennen? Kennen die anderen Wähler diese Namen? Plötzlich ertappte ich mich dabei, wie ich abwäge und mir innerlich aufzählte, welche Vor- und Nachteile es haben würde, wenn ich die eine oder andere Partei wählen würde.

Ich sah die meckernde Frau Merkel ebenso vor mir, wie den ewig unzufriedenen Herrn Merz. Selbstverständlich durfte auch Herr Schröder mit dem eingeimpften Presse-Grinsen nicht fehlen. An mir rasten auch die etlichen Umweltminister vorbei, die auf ihrem Katapult-Stuhl sitzend schon in den Bundestag einzogen, jedoch ebenso schnell von ihrem Sitz flogen.

Was hatten diese Menschen in den letzten Jahren für Deutschland gemacht? Jeden Tag höre ich in den Nachrichten, wie die Regierung Deutschland langsam herunterwirtschaftet. Die Menschen gehen erstmals seit 15 Jahren konsequent in Leipzig auf die Strassen und demonstrieren. Die geschichtlich so bedeutsamen „Montags-Demos“ in Leipzig erleben sogar eine Wiedergeburt. Und je mehr ich nachdachte, desto tiefer rutschte ich in der Liste auf meinem Stimmzettel. Sollte ich die Grünen wählen, die ihre Nase zunehmend stärker in den Wind hängten? Gut. Unser Aussenminister ist noch der Sympathischste von allen. Aber will ich wirklich, dass Sonnenblumen-Schwingende Politiker Deutschland regieren?

Die Linken und die Rechten klammere ich gleich mal aus. Man sollte nicht aus Trotz derartig extreme Parteien wählen. Denken das nämlich zu viele Menschen (und davon gehe ich derzeit aus), erlangt eine solche Partei sehr schnell so viel Macht, dass man sie kaum mehr stoppen kann. Nein. Das will ich auch nicht.

Und so senkte sich mein Blick immer tiefer im Stimmzettel. Ich war angekommen bei den Tierschutzvereinen und den Rentnerparteien. War das schon alles? Ernüchterung setzte ein. Ist dieser jämmerliche Haufen wirklich alles?

Plötzlich kippte meine Stimmung von: „Deutschland auf den Weg bringen, und nun alles richtig machen“ hin zu „Wer schadet Deutschland am wenigsten?“

Wen ich schlussendlich wählte, bleibt natürlich mein Geheimnis. Doch möchte ich all diejenigen beruhigen, die jetzt denken, dass ich aus Trotz eine Randgruppe gewählt habe. Das habe ich natürlich nicht gemacht.

Mir fällt gerade ein, dass mir meine Deutschlehrerin einmal sagte, dass jeder Wähler, der nicht zur Wahl geht, seine Stimme einer Randgruppenpartei gibt. Gewissermassen verschenkt er seine Stimme zugunsten derer, die mit Sicherheit zur Wahl gehen werden. Man muss einen Moment darüber nachdenken, um diesen Satz meiner ehemaligen Lehrerin verstehen zu können. Doch versuch` es mal. Es lohnt sich.