Gestern, auf dem Weg zur Arbeit, als ich im Taxi saß, wollte ich das Radio schon lauter drehen, als ich hörte, was ich gar nicht fassen konnte: „Evelyn Hamann ist tot. Sie starb im Alter von 65 Jahren.“ Vielleicht liegt es an meiner Mutter, die Evelyn Hamann besonders mochte. Vielleicht lag es aber auch an Evelyn Hamann’s ganz eigener Art dem Zuschauer ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Immer wenn eine Sendung im Fernsehen kam, in der Eveyln Hamann mitspielte, war unser Fernseher eingeschaltet. Mit ihr konnte man sich selbst einen Spiegel vorhalten, denn sie parodierte den Alltag eines jeden Menschen. Sie griff immer Themen des Alltags auf und machte daraus Sketche, Komödien oder Krimis. Mit ihr konnte man lachen, weil ihr Humor so fein, spitzfindig und alltagstauglich war, so dass man kaum genug kriegen konnte von ihren Sendungen. Nun – ganz plötzlich – verstarb Evelyn Hamann im Alter von 65 Jahren an Lymphdrüsenkrebs, eine Form des Krebses, der nur wenig Chancen auf eine Heilung versprach.
Auf Spiegel.de fand ich einen sehr schönen Nachruf, den ich hier hinsetzen möchte, weil er sehr schön beschreibt, wer Evelyn Hamann war und wie sie die geworden ist, die sie für mich und den Rest Deutschlands gewesen ist:
[…] Von 1976 bis 1979 spielte sie in der ARD-Serie „Loriot I-VI“ jene Rollen, die das deutsche Fernsehpublikum bis zuletzt mit ihr verbinden sollte. Da war die Haus- und Ehefrau Hoppenstedt, die mit sturem Willen zur Weihnachtlichkeit den Heiligabend zu organisieren versucht: „Und jetzt machen wir es uns gemütlich“. Oder die sich mit einem Staubsaugervertreter der Firma „Heinzelmann“ langsam dem Weinrausch hingibt und schließlich kichernd auf dem Sofa deklamiert: „Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann.“ Und natürlich die Sache mit dem Jodeldiplom, einem Zertifikat des Pseudoausbruchs aus dem Hausfrauendasein – damit Frau „was eigenes“ hat. Hamann verkörperte für Loriot überwiegend solche brav-biederen Hausfrauen und Gattinnen, die der Aufbruchsgeist der Sechziger und Siebziger irgendwie gestreift hatte und die versuchten, sich über symbolische Ersatzhandlungen als progressiv zu geben, ohne dabei freilich die Fundamente der kleinbürgerlichen Traditionsbestände zu attackieren. So wurde sie zur weiblichen Hauptperson in Loriots feingezeichneten Sittengemälden bundesdeutscher Spießigkeit. Hamann schenkte diesen Frauenfiguren eine wunderbar leichte Verschrobenheit und stattete sie mit einem unterschwelligen Hang zur Anarchie aus. Die blieb allerdings stets domestiziert; es lauerte und brodelte unter der wohlpolierten Oberfläche, jederzeit drohte die Eruption – aber es kam dann doch nie dazu.
[…]
Hamann spielte ihre Rollen immer augenzwinkernd, auch vor der Überzeichnung schreckte sie nicht zurück. Dabei wollte sie sich über ihre Figuren nie lustig machen, denn sonst, so ihre Befürchtung, werde es bloßer „Klamauk“. Sie war bekannt für die Präzision, mit der sie ihre Rollen einstudierte; an jedem Kopfnicken, an jedem erfrorenen Lächeln feilte sie mit kompromissloser Hartnäckigkeit.
Über ihre Methode gab sie öffentlich keine Auskunft, überhaupt verweigerte sie sich den Medien mit einer Konsequenz wie nur wenige TV-Prominente. In den wenigen Interviews, die sie gab, äußerte sie sich zusehends ungern über Loriot – wie auch der sich über Hamann ausschwieg. Im Sommer dieses Jahres feierte sie ihren 65. Geburtstag. An einem geheimen Ort im Ausland – wie ihr Management damals verlauten ließ. Dort wolle sie bis zum Ende des Jahres eine Auszeit nehmen. Sie kehrt nun leider nicht mehr zurück. Evelyn Hamann verstarb im Alter von 65 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit. Ihr Humor, ihre Kunst aber bleiben uns erhalten.
Falls Dir Evelyn Hamann nicht bekannt sein sollte, kannst Du Dir ja das nachfolgende Video ansehen, in dem ein Youtube-Mitglied ein paar herrliche Szenen der Loriot-Folgen zusammengeschnitten hat.
[youtube n5z0WuCUpi8]