Auch wenn ich in den vergangenen zwei Wochen nicht privat sondern beruflich in den USA war, wollte ich an einem der beiden freien Tage, die ich hatte, eines der beeindruckendsten Gebirgsmassive sehen, die es auf der Welt gab: den Grand Canyon. Viel hatte ich über den Colorado River gelesen und seine Zerstörungskraft, mit der er sich über die Jahre in den Felsen gefressen hat. Viele Bilder habe ich im Fernsehn, in Büchern und Zeitungen gelesen. Nun wollte ich den Grand Canyon live erleben.

Die Fahrt zum Grand Canyon National Park dauert – egal aus welcher Richtung man kommt – unglaublich lange und führt entlang von schnurgeraden bis zum Horizont verlaufenden Landstraßen. Kommt man aus Europa, hat man den Eindruck, man schleicht über die Straßen, so niedrig ist die Geschwindigkeitsbegrenzung dort. Die Natur hat zunächst während der Anfahrt nicht viel zu bieten. Umso erstaunter ist es, dass am Wegesrand die Entfernungsangaben zum National Park immer kleiner werden. Ist man nur noch wenige Kilometer vom Grand Canyon entfernt, kann man noch immer meilenweit bis zum Horizont sehen und erkennt nichts außer Bäumen, Sträuchern und Hochspannungsmasten. „Wo ist nur der Grand Canyon?“, fragt man sich immer wieder.

Kurz vor der Einfahrt zum Nationalpark fährt man an den beiden Flughäfen vorbei, die man auch nutzen sollte, will man den Grand Canyon von der Luft aus sehen. Auf den Flughäfen gibt es zwei Möglichkeiten, in die Lüfte zu gehen. Mit einem ca. 20ig-sitzigen Flugzeug kann man den Grand Canyon in einer Stunde von Anfang bis zum Ende sehen. Mit diversen Hubschraubern, kann man auf ausgewählten Routen die schönsten und beeindruckendsten Felsformationen sehen, die der Grand Canyon zu bieten hat.

Mich reizte es mehr, mit dem Hubschrauber den Grand Canyon zu erleben, weil man mit diesem viel ruhiger, langsamer und tiefer durch den Grand Canyon fliegt, als das Flugzeug. Auf die Finanzen darf man bei solch einer Entscheidung leider nicht schauen. Während der einstündige Rundflug im Flugzeug mit ca. 100 Euro zuschlägt, wollen die Hubschrauberrundflügler 100 Euro für die 20-Minuten-Tour. Will man eine Stunde lang mit dem Hubschrauber die Ecken des Grand Canyon entdecken, muss man bereit sein, seiner Kreditkarte 160 Euro zu entlocken.

Die Freunde, mit denen ich dort war, überlegten lange, welcher Anbieter der billigste sei, ob das Flugzeug oder der Hubschrauber nun das richtige sei. Grundsätzlich war es mir egal. Nach Preisvergleichen und Diskussionen entschieden wir uns schließlich für die teuerste Variante: 1 Stunde im Hubschrauber durch den Grand Canyon – und sollten es nicht bereuen.

Nach einer kurzen Einweisung in die Notfallpläne und die Innenkabine des Hubschraubers nahmen meine beiden Kollegen und ich vorn neben dem Piloten platz. Ich saß ganz rechts an der Scheibe. Wie sich später herausstellte, ein idealer Platz, um gute Fotos zu machen. Der Pilor saß ganz links, in einer Hand das Steuerhorn, in der anderen einen iPod Nano. Wir setzten dicke Kopfhörer auf, die den Lärm der Rotoren beinahe vollständig abschirmten. Und plötzlich hoben wir ab und starteten im Tiefflug über die Laubwälder – noch immer keine Sicht auf den Grand Canyon.

Der Pilot fragte uns immer wieder, ob alles okay sei. Scheinbar wird einigen im Flugzeug schlecht. Uns aber nicht. Er spielte Musik auf unsere Kopfhörer und erzählte etwas über den Nationalpark. Schließlich sagte er, dass in einigen hundert Metern der Grand Canyon beginnt, die Schlucht etliche hundert Meter in die Tiefe geht, und er meistens die Augen zumache, weil es so steil bergab ginge. Je mehr er seine Augen zukniff, desto mehr rissen wir unsere auf. Und dann, begleitet von klassischer Musik – es könnte Haydn gewesen sein – tat sich vor und unter uns das spektakulärste Naturschauspiel der Welt auf.

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Es lief mir kalt den Rücken herunter. Eine Gänsehaut jagde die nächste. Mir gingen tausend Dinge durch den Kopf. Ich war überwältigt, beeindruckt, voller Endorphin und Adrenalin – ein wirklich unbeschreiblicher Augenblick. Ich war vollkommen ergriffen, und plötzlich merkte ich, wie nicht nur ich mir, sondern meine beiden Kollegen ebenfalls, plötzlich die Augen wischten. Da harte Männer aber nicht weinen, hatten wir wohl was im Auge. *grins

Und so flogen wir wie ein Vogel durch den Grand Canyon. Ich konnte mich kaum satt sehen. Immer mehr Bilder machte ich, vollkommen egal, wieviele es waren. Die Speicherkarte in meiner Spiegelreflexkamera war groß genug. Das Wetter war grandios: strahlender Sonnenschein und ein paar weiße Wolken am Himmel, die wie gemalt aussahen. Ich glaube, ich grinste die ganze Zeit in mich hinein, während der Pilot seine Kreise über eines der Weltwunder drehte und uns fragte, ob es uns noch gut ginge. Natürlich ging es uns gut, fabelhaft – einmalig gut.

Nach einer Stunde schließlich landeten wir wieder auf dem Flugplatz, voller Eindrücke und der Gewissheit, dass wir etwas ganz einmaliges erlebt hatten. Wir waren glücklich, denn wir wußten, dass sich jeder Cent dieses teuren Hubschrauberrundfluges gelohnt hatte.

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