Kaum war unser Neujahres-Kater vorüber, entschlossen wir uns von Kijkduin (Nähe Den Haag) nach Amsterdam zu fahren, um uns die Stadt anzusehen. Schon vorab recherchierten wir im Internet, dass es eine denkbar schlechte Idee ist, mit dem eigenen Auto in die Stadt zu fahren. Zum einen muss man bereit sein extrem hohe Parkgebühren zu zahlen, und ob man sein  Auto so wiedersieht, wie man es verlassen hat, soll wohl auch nicht sichergestellt sein.

Da die Stadtverwaltung von Amsterdam dieses Problem kennt, bietet sie Touristen an, ihr Fahrzeug außerhalb der Stadt auf Park&Ride Parkplätzen stehen zu lassen. Um dieses Angebot zu versüßen, kosten die Parkgebühren pro Tag 6 Euro und beinhalten ein Hin- und Rückfahrticket für alle Fahrzeuginsassen mit dem Nahverkehr von Amsterdam bis in die Innenstadt hinein.

Leider war der organisatorsische Aufwand, bevor wir in der Innenstadt ankamen, sehr hoch:

  1. Einfahrt ins Parkhaus am Stadion.
  2. Parkticket an einem Schalte mit 50m langer Warteschlange in ein Touristenticket (+Nahverkehrskarten) wandeln. (Wartezeit: mind. 30 Minuten)
  3. zur S-Bahn laufen (ca. 10 Minuten)

Auf der Rückreise beginnt dann Teil 2 der bürokratischen Hürde, die mit Park&Ride-Angebot verknüpft ist:

  1. Nahverkehrstickets als Nachweis vorzeigen, dass man tatsächlich in der Stadt war (richtig, Wartezeit: ca. 30 Minuten)
  2. Touristentickets werden nun zum Bezahlen freigeschalten.
  3. Bezahlen muss man die Tickets jedoch an einem anderen Automatenschalter, der keine Kreditkarten annimmt. Man sollte also Bargeld dabei haben, da man ansonsten recht ratlos vor den Automaten steht. (Wartezeit am Automaten: ca. 15-20 Minuten)
  4. Und schließlich raus aus dem Parkhaus ;)

Hat man es aber in die Innenstadt geschafft, steigt man mit Verlassen des Hauptbahnhofes voll ein in den Trudel der Amsterdamer Geschäftigkeit. Tausende junge Leute sind auf den Straßen – überwiegend Touristen. Sehr viele rauchen. Doch keiner Raucht Tabak, sondern Gras. Spätestens hier merkt man, dass die Holländer etwas anders „ticken“ als der Rest der Welt. Ich kann es immer kaum glauben, wenn mir der Grasgeruch in die Nase steigt und sagte immer zu Steffen: „Schonwieder Gras, ich kann’s nicht fassen!“.

[singlepic id=521 w=320 h=240 float=left]Die sehr malerischen Grachten, die man als Tourist in Amsterdam natürlich unbedingt sehen will, liegen abseits der Hauptstraßen und sind zum Glück auch weniger dicht mit Touristen vollgestopft. Die kleinen alten Häuser, die noch aus Handelszeiten stammen und von der Feuchtigkeit völlig verzogen sind, reihen sich dicht an dicht. Ich hatte den Eindruck, dass sich die Häuser gegenseitig stützen, um nicht umzufallen.

Im Chinatown von Amsterdam, das übrigens idyllischer ist als das in New York, begrüßten die Chinesen gerade das neue Jahr mit Salven von Chinaböllern, mit denen man – so hörte es sich an – auch Dinge in die Luft hätte sprengen können. Ohrenbetäubend standen wir daneben und dachten nur: In Deutschland mit Sicherheit verboten.

[singlepic id=522 w=320 h=240 float=right]Beeindruckend skuril waren auch die engen Gassen durch das Rotlichtviertel. In winzigen Glaskabinen räkelten und rauchten sich osteuropäische Prostitutierte stets beleuchtet von Schwarzlichtlampen oder roten Leuchtstoffröhren. Hinter den jungen Frauen war ein Bett, eine riesige Ladung Frischetücher, Kondome und allerlei Utensilien, die ein Kunde wohl brauchen könnte. Nach meinem anfänglichen Entsetzen merkte ich nach und nach, wie menschenverachtend diese Zurschaustellung von Sex für Geld in Amsterdam ist. Als ob das nicht skuril genug sei, befindet sich mitten im Rotlichtviertel eine Kirche, deren Glocken läuteten, als wir durch die engen Gassen, die gerade mal einen Meter breit waren, gingen.

Was die Gegensätze dieser Stadt angeht, kann es Amsterdam also mühelos mit New York und Berlin aufnehmen: Läuft man eben noch durch malerische Gassen und bestaunt teuerste Designermöbel, kann man Minuten später in Straßen landen, in denen Prostituierte ihre „Ware“ anbieten. Zwei Straßen weiter, findet man nur noch Läden mit chinesischen Schriftzeichen und gelb-braun gebratene Enten, die die Schaufenster der Restaurants zieren.

Amsterdam war schön, stylisch, und malerisch – übersichtlich, skuril und überraschend – menschenverachtend, dreckig und voll.

Steffen und ich haben beschlossen, dass wir Amsterdam in einer grüneren Jahreszeit ein weiteres Mal besuchen werden – dann nicht nur für einen Tag, sondern vielleicht ein ganzes Wochenende. Denn wir wollen mehr sehen, von dieser Stadt.

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PS: Die Gassen des Rotlichtviertels durfte man nicht fotografieren, und bereits mit ausgeschalteter und an meinem Hals hängender Kamera erntete ich böse Blicke der Prostituierten und „Geschäftemacher“.

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