Schon seit mehreren Tagen liegen nun Bilder und Videos auf meinem Desktop und erinnern mich immer wieder daran, dass da doch noch was war. Als ich beruflich in Stutgart war und meine Heimreise antrat, ging so ziemlich alles schief, das schiefgehen kann. Aber immer schön der Reihe nach:

Nach zwei Tagen Stutgart war ich schon gut 2 Stunden vor Abflug meiner Fokker 100-Maschine, in der wenige Monate zuvor Franz Müntefering auf dem Weg von Berlin nach Stuttgart verunglückt war, am Stuttgarter Flughafen. Grund war ein Kollege, der eine Maschine nach Hannover kriegen wollte. Da wir nur einen Mietwagen hatten, fuhren wir zusammen. Ich nahm mir vor, die elende Warterei mit einem Milchkaffee zu verkürzen.

Mein Kollege stieg schnell in seinen Flieger und hob ein paar Minuten später ab. Wie sich herausstellen sollte, war er der letzte, der an diesem Tag in Suttgart abfliegen sollte, denn wenige Minuten später begann die Nacht und etliche Blaulichter huschten an den verglasten Fronten des Terminals vorbei. Die Abflugzeit meiner Maschine nach Berlin zögerte sich immer mehr hinaus. Alle wurden unruhig.

Dann schließlich kam die beunruhigende Information, dass vor wenigen Minuten ein Flugzeug mit Fahrwerksproblemen notlanden mußte und nun auf bzw. neben der Startbahn lag. Kein gutes Gefühl, wenn man die Bordkarte schon in der Hand hält. Am Boardingschalter riet man uns, an den Lufthansa-Schalter im Empfangsterminal zu gehen, denn Flüge würde es in Stuttgart an dem anbrechenden Abend sicher nicht mehr geben.

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Und so reihte ich mich ein in eine 200 Meter lange Schlage von genervten Privat- und Geschäftsreisenden. Um mich herum standen eine Marketing-Dame aus Berlin, ein Telekom-Vertriebler aus Magdeburg und eine kleine pummelige Oma mit riesigem Koffer auf dem Weg nach Hongkong. Den Tränen nahe berichtete mir die Oma dann, dass sie einen Flug nach Frankfurt a.M. gebucht hatte, um dort ihren Sohn zu treffen. Gemeinsam wollten sie über Singapur nach Hongkong fliegen. Flüge waren gebucht – Wartezeiten gab es keine. Schließlich gab ich ihr mein Handy, damit die gute alte Frau zumindest ihren Sohn, der in Frankfurt auf sie wartete, informieren konnte. Denn ein Handy hatte sie auch keines.

Wie sich herausstellen sollte, kam ihr Sohn aus Norwegen. Sie wählte also die Telefonnummer eines norwegischen Handys, um in Frankfurt ihren Sohn zu erreichen. Liebe Grüße an die Roaming-Gebühren: Habe ich gern getan.

[singlepic id=556 w=250 h=150 float=left]Die entnervte Marketing-Dame, der Telekom-Vertriebler und ich versuchten die Situation mit Humor zu nehmen und witzelten uns in der Warteschlange an den mittlerweile eingetroffenen Fernsehteams entlang. Auch die Lokalpresse scharte sich um die teils wütenden, teils verzweifelten Reisenden und versuchte möglichst dramatische Schilderungen aus ihnen herauszupressen.

Nach 2,5 Stunden Warteschlage erreichte schließlich auch ich den Lufthansa-Schalter. Dort angekommen, war ich zum ersten Mal im Leben froh, mit der Lufthansa unterwegs zu sein. Das Krisenmanagement ist wirklich gut: Ich bekam zwei Taxi-Gutscheine zu einem Hotel in der Nähe des Flughafens. Untergebracht wurde ich in einem 4-Sterne-Hotel und sogar einen Verzehrgutschein in der Höhe von 20 Euro bekam ich. Gebucht wurde ich auf die nächstmögliche Maschine am nächsten Tag. Bei einer Abflugzeit von 10 Uhr kann man sich auch nicht beschweren.

[singlepic id=557 w=250 h=150 float=left]Uns so landete ich schließlich bei einem Italiener in einem Dorf in der Nähe des Flughafens, um den Verzehrgutschein einzulösen. Um mich herum bekannte Gesichter aus der Warteschlange des Flughafens. Mit mir am Tisch saß dann ein IT-Vertriebler von Alcatel, der ziemlich viel aus dem Nähkästchen plauderte. Da er mich aber nicht fragte, was ich machte, ließ ich den Schwall an Informationen über mich ergehen, nickte höflich und quälte mir ab und an ein „Ach, interessant!“ aus den Lippen.

Am nächsten Tag schließlich las ich in der Zeitung, dass eine Frachtmaschine mit einknickendem Fahrwerk über die Landebahn des Stuttgarter Flughafens hinaus geschossen war. Die Besatzung bestand aus zwei Piloten (einem Ehepaar). Verletzte gab es nicht, und auch sonst schienen alle mit einem Schrecken davongekommen zu sein.

Trotz der interessanten Erfahrungen: Das nächste Mal fahre ich wohl mit dem Auto nach Stuttgart oder nehme die Bahn.