Mein vorheriger Beitrag war – weitestgehend – eine Faktenschilderung des Hubschrauberrundfluges durch den Grand Canyon. Mit diesem Beitrag werde ich persönlicher. Ich beschreibe, nicht das, was wir allem Anschein nach erlebten, sondern was in mir vorging.
Ich steige in den Hubschrauber, schnalle mich fest, überprüfe, ob meine Kamera die korrekten Einstellungen hat. Ich versuche sehr kontrolliert zu wirken, doch innerlich weiß ich schon jetzt, da ich vor drei Jahren schon in diesem Hubschrauber saß, dass das, was ich sehen werde, unglaublich sein wird. Ich weiß, dass, so gut meine Kamera auch ist, ich die Dinge nicht werde festhalten und mitnehmen können.
Der Flug beginnt, wir schweben scheinbar schwerelos über dem Boden und beginnen kurz darauf mit dem Steigflug. Über die Kopfhörer erhalte ich Informationen zum Grand Canyon, dem Nationalpark, der Vegetation und der Entstehung. Ich höre nicht hin. Ich versuche am Horizont zu erkennen, wann die Klippe kommt, über die wir in den Canyon “einsteigen” werden. Musik dringt aus den Kopfhörern. “Fahrstuhlmusik”, denke ich. Okay, wir sind noch etwas entfernt von der Klippe.
Und dann, plötzlich, Ruhe. Es kommen die entscheidenden Sekunden, untermalt mit klassischer Musik aus “Space Odyssey”. Die Klippe steht also unmittelbar bevor. Ein Video auf Youtube hält diese Sekunden fest, genau so, wie sie waren:
[youtube pSpu6P8Sd6Y]
Die Musik wühlt mich auf. Ich schaue unter mich: nichts. Ich schaue zum Horizont: unendliche Weite, schroffe Felsen, roter, schroffer Felsen überall, der aussieht, als wäre die Erde an einer Stelle tief aufgerissen. Ich bin beeindruckt – und überwältigt.
Ich ärgere mich, dass mir erneut Tränen in den Augen stehen. Männer heulen nicht. Doch sie kommen einfach so. Waren plötzlich da, und ich kann nichts dagegen machen. Ich schaue in die Ferne und denke kurz: “Hoffentlich sehen meine Kollegen das nicht.” Ich denke aber auch an meine Mum, die das, was ich hier sehe, wahrscheinlich nie selbst wird sehen können. Mir wird klar, was für ein kleines “Licht” ich in dieser Umgebung eigentlich bin, und was für ein Glückspilz ich bin, dass ich das hier erleben darf.
Ich erhole mich, wische mir kurz die Tränen weg, bevor sie mir über die Wange kullern, Überwältigung wandelt sich in einen kleinen Adrenalinstoß, der mich grinsen lässt: von einem Ohr zum nächsten. Und ich greife nach meiner Kamera und mache Bilder. Ich weiß, dass ich diese Gefühle nur schwer auf meine Speicherkarte bringen kann, doch IRGENDETWAS muss ich doch mit nachhause nehmen.
Ich lache und fotografiere, fülle unaufhörlich meine Speicherkarte mit sich stetig verändernden Motiven vor meiner Linse. Unter mir, tausend Meter tiefer, sehe ich den Colorado River und erinnere mich, dass ich mir vor drei Jahren vornahm, in meinem Leben – irgendwann mal – eine Rafting Tour durch den Grand Canyon zu machen. Ich nehme mir vor, wiederzukommen.