Patrick, ein britischer Journalist, dessen Wurzeln in London liegen, holt mich am frühen Abend vom Hotel ab. Er möchte mir das Nachtleben von Clearwater zeigen. Schon lange wohnt und arbeitet er hier.

In der “Sandperle von Clearwater”, dem Sand Pearl Resort essen wir zunächst “Grouper”. “Grouper” ist ein schwarzer Zackenbarsch, direkt aus dem vor uns liegenden Golf von Mexiko. Das Fleisch ist fest, etwas salzig, von außen knusprig in der Pfanne angebraten, aber von innen sehr weich. Kaum habe ich einen Bissen im Mund, zerfällt der Fisch im Mund und schmeckt wirklich lecker. Wer in Clearwater ist, sollte Grouper probieren.

Mit einer guten Grundlage im Bauch machen wir uns auf den Weg nach Dunedin (gesprochen: “Dun Ediin”). Dies ist eine schottisch-irische Enklave mitten in Florida, ca. 20 Kilometer von Clearwater entfernt. Vor über 100 Jahren haben sich hier Einsiedler aus Irland und Schottland niedergelassen. Da es zum damaligen Zeitpunkt noch keine Klimaanlagen gab, war das Gebiet kaum bewohnt, und die Iren und Schotten, die mit einem Mal der Sonne so stark ausgesetzt waren, konnten sich ihre eigene Stadt nach eigenen Vorstellungen aufbauen. Kein anderer hatte ein Interesse an diesem Land. Doch für die Neuankömmlinge in Amerika war diese Gegend das Paradies.

Mit Patrick laufe ich durch die Straßen, die nicht im Schachbrettmuster angeordnet sind. Europäisch sehen auch auch die Häuser aus, die hier stehen. Die Namen von Bars und Restaurants tragen typisch schottische oder irische Namen. Und wäre da nicht das tropische Klima, die Flip Flops an den Füßen und die knappe luftige Kleidung, die hier jeder trägt, könnte ich fast vergessen, in Florida zu sein.

Patrick jedoch führt mich in Blur. Hier findet ein Bingoabend mit Drag Queens statt. Traila Parks und Natasha Richards erklären mit herbem Witz die Regeln des Bingo und bitten jeden, sich Kärtchen gegen eine kleine Spende von ihrem Tresen zu holen. Das Blur ist voll bis auf den letzten Platz – Patrick und ich mitten drin. Wir beide spielen zum ersten Mal Bingo. Als Traila Parks verkündet, dass der Abend voller anzüglicher Bemerkungen unter der Gürtellinie sein würde, und sie nun darum bitten, dass all jene, die damit nicht umgehen könnten, die Bar verlassen, steigt die Vorfreude auf einen illustren Abend. Patrick flüstere ich noch ins Ohr: “Wenn es für Dich zu heftig wird, dann sag‘ mir bescheid.”. Auf ihn warten eine Ehefrau und zwei Kinder. Ich weiß, dass diese Veranstaltung für einen Hetero recht “herb” sein kann.

Patrick jedoch winkt ab. Mit Trommelwirbel und anzüglichem Humor werden von Traila und Natasha die Zahlen gezogen. Immer wieder flattern Sprüche durch den Raum, bei denen Patrick mich mit einem Gesichtsausdruck anschaut der sagt: “Das hat die jetzt nicht wirklich gesagt!?”. Dennoch gefällt es uns beiden recht gut. Auch unsere Tischnachbarn fiebern eifrig mit.

Irgendwann schreit Patrick schließlich: “BINGO!”. Schnell steht Natasha neben ihm, prüft das Bingo-Kärtchen, um dann festzustellen, dass Patrick doch kein “Bingo” hat. “Strafe muss sein!”, sagt sie Patrick und schleift ihn mit auf die Bühne.

Nun muss dieser britische Journalist, hetero, verlobt, Kinder zuhause, etwas über sich ergehen lassen, das “Teabag” heißt. Die “Teebeutel-Strafe” sieht folgendermaßen aus: Patrick fällt auf die Knie, beugt seinen Kopf nach vorn, Natasha hebt ihren Rock, Patricks Kopf wird vom Rock verdeckt. Mit rhythmischen Bewegungen baumelt nun der Teebeutel gegen Patricks Kopf. Nach ein paar Sekunden ist es vorbei.

Ich sitze mit offen stehendem Mund da, beobachte die Szene und kann kaum glauben, was ich gerade gesehen habe. Alle lachen. Patrick darf sich wieder setzen – mich hochrotem Kopf.

Mit einem Heineken stoße ich mit Patrick auf die bestandene Mutprobe, Strafe und das falsche Bingo an. Wir lachen uns an. Ausgelassener kann ein Abend im irisch-schottischen Dunedin wohl nicht sein.