Wenn wir Besuch haben, wollen unsere Besucher während ihres Berlinbesuchs natürlich immer etwas erleben. Meistens haben die Besucher ihre Tipps aus Reiseführern oder Fernsehberichten. Nimmt man dann die vermeintlichen Insider-Tipps der Reiseratgeber wahr, findet man sich schnell in einem Pulk von Touristen wieder. So geschah es uns auch heute, als wir auf einer Tour durch die Berliner Unterwelten waren.

Hinter den „Berliner Unterwelten“ steckt ein gemeinnütziger Verein zum Schutz historischer Bunkeranlagen in und um Berlin. Schon vor einigen Jahren habe ich an Führungen dieses Vereins teilgenommen, um Berlin näher kennenzulernen. Damals war ich frisch zu Berlin hinzugezogen und praktisch selbst noch „Tourist“ auf Entdeckertour.

Heute jedoch begleitete ich unseren Besuch durch Berlin. Im Nachhinein betrachtet, war es garkein schlechter Entschluss „Berlin von unten“ zu sehen, denn so vermieden wir das „Nass von oben“, denn heute goss es in Strömen.

[singlepic id=605 w=320 h=240 float=left]Die Bunkertour der Berliner Unterwelten startete im U-Bahnhof Gesundbrunnen (U6). Nachdem man eine unscheinbare Tür passiert hatte, fand man sich in Schutzräumen des zweiten Weltkrieges wieder. Die Schriften an der Wand, die phosphorhaltige Farbe, die im Dunkeln leuchtete und mit Torf gefüllte Toiletten waren autentisch. Auch die von Rost gezeichneten Luftein- und auslässe stammten aus der damaligen Zeit, und mit ein paar Schritten war man zeitversetzt in eine andere Welt.

Unsere Rundführerin war mittleren Alters. Mit einer grell leuchtenden Taschenlampe verwies sie uns auf die niedrigen Decken und die vielen Stufen. Vom ersten Schritt an sollte man also genau darauf achten, wohin man lief oder wo man stand. Zwar waren die Wege abgesichert, doch echte Lust verspürte ich nicht, meinen Kopf an Betonkanten zu stoßen oder durch Spinnweben zu streichen. Vorsicht war also angebracht.

In den Bunkeranlagen herrscht beinahe ganzjährig eine Temperatur von 10 Grad Celsius. Tageslicht kommt hier nie hinein. Die Tiefe des Bunkers (18 Meter unter der Erde) verhindert, dass die Sonne den Boden und damit den Bunker aufwärmen kann. Hat man also vor, die Bunkerführung im Sommer wahrzunehmen, ist ein dicker Pullover, der vor Kälte schützt, Pflicht.

[singlepic id=606 w=320 h=240 float=left]Unsere Reiseleiterin führte uns – teils mit Begeisterung, teils mit morbiden Bemerkungen – durch die Berliner Unterwelten. Ihren Ton fand ich teilweise unpassend. Denn auch wenn die Berliner nach dem zweiten Weltkrieg Löcher in die Stahlhelme bohrten, um Siebe zum Kochen zu haben, war diese Idee aus der Not geboren. Witz war gewollt – nicht gekonnt. Begeisterung ist meiner Meinung nach hier fehl am Platz. Auch die bis zu den Knien reichenden Lackstiefel der Rundführerin waren in Anbetracht der Umgebung wirklich unangebracht – aber so ist Berlin.

Da der Bunker im Gesundbrunnen zu Kriegsende komplett geplündert wurde, bestehen alle Ausstellungsstücke, die Authentizität vermitteln sollen, aus dem Fundus anderer Archive. Leider betonte unsere Reiseleiterin bei jedem Halt erneut, dass nicht ein einziges der Ausstellungsstücke aus dem Bunker stammten. Diese Bemerkung nahm der Führung meiner Meinung nach den Charme. Man kam sich vor, wie in einem künstlich komponierten Bunker des Schreckens und nicht wie an einem Ort einer historischen Begebenheit.

Vielleicht bin ich aber auch zu streng. Für eine 90ig-minütige Tour durch die Berliner Geschichte ist die Tour durchaus interessant und abwechslungsreich. Die Erwartungen sollten jedoch nicht zu hoch gesteckt werden, denn der Bunker im Gesundbrunnen ist eben kein Führerbunker mit Originalteilen, sondern ein leerer Bunker, der mit Ausstellungsstücken anderer Fundorte aufgepeppt worden ist. Anfassen darf man nichts – nur gucken ist erlaubt.

Nach 90 Minuten ist man froh, endlich wieder das Tageslicht zu sehen. Außerdem man ist froh, dass man in friedlichen Zeiten lebt, und niemals aus Überlebenswillen in einen solchen Bunker muss, sondern ausschließlich aus Interesse an deutscher Gechichte.

PS: Vielen Dank an die Berliner Unterwelten für die freundliche Unterstützung und zur Verfügungstellung der im Bericht gezeigten Bilder.

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