Gestern traf ich Andy im Treppenhaus. Die letzten 12 Jahre wohnte er dort mit seiner Frau Veronika und seiner Tochter Katharina. Heute zieht er aus. Ich mochte ihn. Wir haben zugesehen, wie sie sich selbst und der Alltag sie fertiggemacht hat. Heute ist Andy’s Befreiungsschlag und ein nass-kalter Sprung in das, was man wohl eine zweite Lebensphase nennt.

Veronika und Andy haben für uns immer das verkörpert, was der Stadtteil, in dem wir leben, in den Medien verkörpert: Jung, erfolgreich, mit dem wahnsinnig intelligenten Kind. Beide pflegten das, was man wohl die Verzerrung der Wirklichkeit nennt. „Mein Kind muss nun auf den Spielplatz, denn ich habe gerade gelesen, dass Kinder, die nur drinnen spielen, kurzsichtig werden.“, sagte uns Veronika, die mit ihrer Tochter eiligen Fußes auf dem Weg zum nächsten Spielplatz war. Das ist nun schon acht Jahre her. Vor fünf Jahren dann, begann Andy Schlagzeug spielen zu wollen. Er schloss sich einer Band an, die mehr schlecht als recht in die Tasten und auf Schlagzeuge schlug oder ordentlich in die Tasten griff. Schon das war, rückblickend, ein kleiner Befreiungsschlag von der allzu perfekten äußeren Hülle, derer man sich hier im Prenzlauer Berg verschrieben hatte.
Währenddessen liebte sie ihr Rad mit der hölzernen Weinkiste am Fahrradlenker. „So schön alternativ.“, sagte sie mir, als ich sie auf ihren kreativen Eigenbau ansprach. „Aber ich habe immer Angst, dass sie mir mal geklaut wird. Die sind angeblich 6 Euro wert.“

Vor einem guten Jahr dann verliebte sie sich in einen ihrer Auftraggeber. Er, erfolgreicher Unternehmer aus Süddeutschland. Sie, „macht was mit Medien“, und in diesem speziellen Fall das Branding (also den Außenauftritt) für die Firma des erfolgreichen Unternehmers. Als ich sie frage, wie er aussieht, lacht sie verschmitzt. Falten bilden sich rund um ihre Augen. „Ach, darüber rede ich nicht so gern. Er folgt so keinem Ideal.“, war ihre erste reflexartige Antwort auf meine Frage. Dann, als ich einfach weiter zuhöre, meinte sie nur: „Er ist kleiner als ich, hat ein Bäuchlein. Aber er gibt mir das Gefühl der Ruhe, des auf mich Besinnens.“ All das war und ist der quirlige Andy, den ich heute im Treppenhaus begegne nicht, war er auch nie. Das musste er auch nie sein.

Ob ich Andy jemals wieder treffen werde? Ich weiß es nicht. Heute jedenfalls zog er aus.