„Nichts anfassen. Abstand wahren. Nicht länger hier sein, als unbedingt nötig. Flach atmen.“ Das waren meine Gedanken, als ich vor einigen Tagen am Lufthansa-Service-Schalter mit vielen Chinesen stand. Sie waren auf dem Weg zurück in die Heimat am Münchner Flughafen. Ich war auf dem Weg zurück nach Berlin. Merkwürdig fühlte ich mich, denn eigentlich hätte ich mich nicht sorgen müssen, schließlich wollten die Chinesen zurück (!) in die Heimat, und nicht aus ihr hinaus. Den Coronavirus, der gerade in China sein Unwesen treibt, würden diese Touristen sicher nicht haben. Dennoch lies mich deren Erscheinen darüber nachdenken, wie ein Thema aus den Medien so schnell in meinen Alltag rückten konnte.

Sie trugen Mundschutz. Einige hatten den billigen Mundschutz, der aussieht wie ein gefaltetes Stück hellgrünes Papier, das, an vier Gummibändern befestigt, Mund und Nase bedeckt aber reichlich Zwischenräume für das Eindringen von Keimen lässt. Andere hatten professionelle Masken mit Kohlefiltern vor dem Mund, festgehalten mit dicken Gummibändern, die straff um deren Kopf gespannt waren und so einige Haarfrisuren zerzausten. Einige trugen Handschuhe.

Inmitten dieser Ansammlung gestrandeter China-Reisenden stand ich, um meinen Rückflug von München nach Berlin umzubuchen. Doch auch zahlreiche Angestellte des Flughafens hatten mit den Gästen zutun. Da waren die Servicemitarbeiter der Lufthansa oder die Polizisten vom Bundesgrenzschutz. Keiner hier trug einen Mundschutz. Den trugen nur die Chinesen. Dennoch wurden durch den Bundesgrenzschutz akribisch Koffer kontrolliert und der Pulk an Reisenden zusammengehalten. Was ich jedoch sehr wohl sah: Egal ob es die Polizisten, die Service-Mitarbeiter oder die Security war: Alle versuchten, Abstand zu den Reisenden zu wahren.

Von einem Nachbar, der beim Bundesgrenzschutz am Flughafen arbeitet, erfuhr ich, dass eine Dienstanweisung erging, die allen Mitarbeitern vorschreibt, Mundschutz zu tragen, insofern Kontakt mit Reisenden besteht. Mein Nachbar meinte jedoch: „Kaum jemand folgt dieser Anweisung. Denn kannst du dir vorstellen, wie groß die Panik würde, wenn die Offiziellen mit Mundschutz und Maschinengewehr patrouillieren würden?“

Überhaupt versuchen wir in Deutschland gerade unglaublich erwachsen auf die Informationen aus China zu reagieren. Hierbei ziehen wir beunruhigende Vergleiche zur Grippe: „Keiner Spricht darüber. Aber die Grippe ist viel schlimmer als der Coronavirus.“. Und ich frage mich: Wie können wir davon nur mit so großer Bestimmtheit davon ausgehen? Die Johns Hopkins Universität verfolgt täglich die Meldungen neuer Ansteckungen, die Anzahl der Toten, aber auch die Anzahl der Geheilten. Bisher steigt diese Zahl mit jedem Tag signifikant an. Kein Wort wird darüber verloren, wie genau das Virus eigentlich behandelt wird. Merkwürdig, oder?

Mein Arbeitgeber hat mittlerweile alle Mitarbeiter gebeten, aktuelle Dienstreisen in China komplett abzubrechen, zukünftige zu stornieren und nur in absoluten Ausnahmefällen, neue Reisen zu buchen. Kollegen, die in China arbeiten, wurden zur Heimarbeit aufgefordert. Die Lufthansa hat Flüge nach China storniert, weil einerseits keiner mehr hinfliegen möchte (teuer, da die Flüge beinahe leer sind), andererseits alle Reisenden herausfliegen möchten (unbefriedigend, da nicht genügend Plätze) und die Crews auch nicht auf solche Flüge möchten. Vor zwei Tagen erst hat die Deutsche Luftwaffe 90 Deutsche ausgeflogen. Diese verbringen nun 2 Wochen in Quarantäne, obwohl keine Anzeichen für eine Erkrankung festgestellt worden sind.

Die ganze Welt schaut gespannt auf China. Dort wird im Epizentrum des Coronavirus ein Krankenhaus gebaut. Dutzende Bagger haben dort am Freitag ein Loch gegraben, um ein Krankenhaus zu bauen, das am Montag (nur 3 Tage später!) einsatzbereit sein soll. Unglaublich. Die ganze Welt schaut auf China, das nach und nach Städte, Verkehr und Bewegung stilllegt, um eine Verbreitung des Virus, der via Tröpfchen übertragen wird, einzudämmen. Das sind so einschneidende Maßnahmen, dass man meinen könnte, man würde einen Hollywood-Film sehen. Und es drängelt sich mir die Frage auf: „Bekommen wir alle Informationen ungefiltert aus China?“

In drei Wochen geht es für uns nach Australien – über Hongkong. Und ich kann mir schon jetzt ausmalen, wie es im Flugzeug aussehen wird: Jeder trägt einen Mundschutz, alle schauen irgendwie besorgt. Meinen Partner fragte ich: „Wollen wir uns nicht auch einen Mundschutz holen?“, „Das hat noch Zeit“, meinte er. „Die bekommen wir zur Not auch direkt am Flughafen.“.

Was für Aussichten! Erst vermiesten uns die Feuer in Australien die Freude auf den Australien-Urlaub. Nun ist es der Coronavirus. Irgendwie haben wir in diesem Jahr wirklich kein Glück mit der Urlaubsplanung – und das obwohl der Januar gerade erst vorbei ist!