„Was fange ich mit meinem Leben nur an?“, ist wohl eine Frage, die sich Rainer, ein Fotograf und Lebenskünstler aus Berlin wohl schon öfter gestellt hat. Freiberuflich ist er und verdient mit kommerziellen Auftragsarbeiten in der Fotografie, die ihn zwar nicht reizen, aber die Miete zahlen, Geld, das er für seine kreativen Projekte ausgeben möchte. Vier Jahre ist er nun schon auf der Suche nach einem Stil. Einem Stil in seinen Bildern, die ihn einzigartig, wiedererkennbar machen. Die Bildsprache in seinen Portraits is klar, strukturiert und eher düster als fröhlich. Der Himmel ist immer einheitlich blau, flächig beinahe. Bis auf die Porträtierten. Dies sind Sportler, Politiker, Bekannte. Er nennt ein kleines Heimstudio sein Eigen. Investitionen für Hintergrundleinwände und Blitze haben sich wohl nie ausbezahlt.
„Aber auch die kreative Arbeit laugt mich aus. Ich komme auf keinen grünen Zweig, der mich wirklich glücklich macht.“, sagt er mir. Er sucht einen Stil, den er seit vielen Jahren sucht, aber nie gefunden hat.
„Ich bin ein einsamer Wolf in meinem Alltag der Fotografie.“, meint er. „Das kann wirklich belastend sein.“ Stunden-, ja tagelang baut und bastelt er an Farbkonzepten, die seine Fotos einzigartig machen sollen. „Ich mag eher die düsteren kalten Farbtöne, als die hellen und warmen.“, erinnere ich mich. Vor Jahren schon sagte er mir das. Nichts hat sich seitdem geändert. Erkenntnisgewinn gleich Null. Er tritt seit Jahren kreativ auf der Stelle, während er sich nebenher, um die Miete zahlen zu können, Geld damit verdient, Politiker für deren Internetauftritt zu fotografieren. „Hotelfotografie ist wirklich nichts für mich. Den Luxus zu fotografieren, um den Luxus zu genießen könnte mir nie ferner sein. Trotzdem habe ich es gemacht.“, beichtet er mir in diesem leisen Tonfall, der beinahe entschuldigend klingt.
Alles hat er probiert, um der Kreativität auf die Sprünge zu helfen: „Digital Detox“, keine Konkurrenten ansehen, an denen er sich im Kopf misst, Reduktion auf das Wesentliche, endlose Spaziergänge allein. Keine Maßnahme, keine zündende Idee hat ihn je aus dem Tief der Selbstfindung gerettet.
Nun gibt er auf.
„Ich fange aber nur halbtags an, um der Kreativität Raum zu geben.“, meint er beinahe verteidigend, als er mir von dem Jobangebot erzählt, das auf seinem Tisch liegt. Kommunikativer möchte er wieder werden. So wie früher, als er noch in einer namhaften Werbeagentur gearbeitet hat.
Ich ermutige ihn in diesem Schritt, da ich schon seit Jahren sehe, wie er sich an dem Maßstab, an dem er sich gerne messen lassen möchte, zerbricht wie ein Strohhalm in einem leeren Cocktailglas. Zuerst glaubt man noch, es wäre sehr stabil. Am Ende merkt man jedoch, wie fragil und zerbrechlich er ist, ehe man ihn wegwirft. Ich wünsche ihm, dass er die Kurve kriegt.