Vor knapp 2 Jahren entschieden sich meine damaligen Chefs der Firma, in der ich noch immer arbeite, dass sie mich gerne nach Boulder, Colorado, USA schicken würden. Für ein halbes Jahr etwa. „Ein Produktmanager würde den Leuten dort helfen, die Strategie besser zu verstehen“, war das Argument. Also entsandten sie mich in das, was ich oft als: „Mitte, Mitte“ beschrieb, wenn mich Freunde danach fragten, wo in den USA ich arbeiten würde.
Mitten in den USA, kurz vor den Bergen, kurz hinter Denver verbrachte ich im letzten Jahr 6 Monate in Boulder, einer Stadt wie Smallville: hübsch, freundlich, sonnig und mit ausschließlich gebildeten Leuten. Ich übertreibe nicht. Boulder, diese kleine Stadt in der Nähe von Denver zählt innerhalb der USA wirklich zu den lebenswertesten Städten. Ich genoß die Zeit dort, auf 1700 Metern über dem Meeresspiegel wirklich sehr.
Ich erfüllte nach damaliger Definition meinen Job komplett. Alle Mitarbeiter schätzten mich, verstanden die Strategie, in die wir gehen würden, vertrauten mir. Es war beinahe schon wie eine Familie. Doch nach 6 Monaten musste ich wieder gehen.
Die Frage nun, ein knappes Jahr später: „Was bleibt?“, „Was blieb?“.
Die Antwort ist ganz spannend: wenig, und doch viel.
Die Strategie der Firma, und damit mein damaliger Auftrag, haben sich längst überholt. Die mühevolle Arbeit, um alle Mitarbeiter Vorort einzuschwören auf die neue Ausrichtung der Firma, ist längst veraltet. Die Dokumente und Präsentation schlummern mittlerweile in den Archiven. Aber, ich glaube, das ist okay. Denn etwas viel Wichtigeres ist geblieben: das Vertrauen.
Innerhalb der letzten paar Monate hat sich in der Firma, in der ich arbeite, so einiges getan. Eine ganze Wagenladung an Veränderungen stehen an, und das bedeutet für einige Mitarbeiter auch, Sorge um den Arbeitsmodus, das Thema, das gerade bearbeitet wird, und noch vieles anderes mehr: „Kann ich dem Chef vertrauen?“, „Wie ist eigentlich der CTO so?“, „Was passiert mit meinem Thema?“
Besorgniserregende Fragen erreichen mich fast täglich aus meiner alten Expat-Stadt mit der höchsten Dichte an „Doktortitel“ in den ganzen USA. (Ist wirklich so. Allerdings beeindruckt mich das recht wenig.), umso wichtiger ist es, ein gutes Verhältnis zu diesen Mitarbeitern zu haben. Es ist echt toll, zu sehen, wie man diese Kollegen mit nur wenigen Worten beruhigen kann, informiert und wieder in einen produktiven Modus versetzen kann. Es ist schon verrückt, was so ein halbes Jahr in Colorado anrichten kann.
Und neben all meinen vielen privaten Erfahrungen, über die ich endlich mal anfangen muss, zu schreiben, ist – aus beruflicher Sicht – das gewonnene Vertrauen der Mitarbeiter in diesem Büro, das wohl wichtigste Ergebnis, das mein Aufenthalt dort hatte.
Keine Sorge: Ich bin nicht naiv genug, zu glauben, dass dies für immer so bleiben wird. Kollegen kommen und gehen. Aber neben den vielen Kollegen, dessen Vertrauen ich gefunden habe, fanden sich auch ein paar Freunde, zu denen ich auch heute, längst in anderen Firmen arbeitend, noch immer Kontakt habe.