Klick. Perspektive wechseln. Klick. Lächeln. Klick. Mist. Gebäude abgeschnitten. Korrigieren. Klick. Lächeln (nicht vergessen)! Klick. Kamera drehen, nicht jeder will nur Hochkant sehen. Klick. Lächeln. Verdammt. Vergessen. Korrigieren. Klick. Partner ins Bild. Klick. „Lach doch mal.“, sagen. Er lächelt. Klick.

2 Minuten später: „Fertig!“

Interesse am Sydney Opera House ab der dritten Minute: Null.

Genau so habe ich das im Februar erlebt, als wir mit Freunden, die nun eher Bekannte sind, um die halbe Welt geflogen sind, um gemeinsam Australien zu entdecken. Was wir zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wussten: Ein wirkliches Interesse, das Land und die Leute kennenzulernen, hatten sie nicht. Auch nicht, um sich mal irgendwo ganz in Ruhe hinzusetzen, um die Situation auf sich wirken zu lassen.

Und so liefen wir kurz nach Ankunft im Hotel in der Dämmerung zum Hafen in Sydney, um dort das Sydney Opera House zu sehen. Dieses Gebäude, da auf der ganzen Welt mit Sydney, Australien, Koalas und dem anderen Ende der Welt verbunden wird. Doch unsere Mitreisenden taten, was sie schon in Melbourne taten: Mit ihren Smartphones nahmen sie innerhalb von wenigen Minuten die Bilder auf, die schon hunderte Millionen Mal auf Instagram hochgeladen wurden. Sie markierten sich und die Oper von Sydney auf den Bildern. Die Heimat, und auch die Eltern wissen nun: Uns geht es gut. Job erledigt. Kollegen neidisch.

Es ist so schrecklich erschreckend, wenn es tatsächlich das andere Ende der Welt braucht, um zu sehen, wie wenig manche Menschen eine Landschaft, ein Bauwerk, eine Stadt oder die untergehende Sonne auf sich wirken lassen. Es ist schrecklich, zu sehen, wie unsere digitale Welt, und der Drang diese über unsere Erlebnisse wissen zu lassen, uns verändert hat. „Zeig, wer du bist. Sonst bist du niemand.“, scheint Instagram, Facebook und Co. einem jeden von uns in die Ohren zu flüstern. Manche folgen diesem Drang selbst dann, wenn dafür 12,543 Kilometer Flug und weit über 1,000km mit dem Auto zurückgelegt werden mussten. Selbst dort, am anderen Ende der Welt, gibt es keine Sekunde des „auf sich wirken Lassens“, des „einfach mal hier sein“-Moments. In Windeseile werden da Fotos gemacht, aufgehübscht (auch: aufgepimpt) und Minuten später hochgeladen. Die Aufmerksamkeitsspanne derjenigen endet, wenn der grüne Haken auf dem Smartphone auftaucht, der das erfolgreiche Hochladen des Fotos quittiert.

Danach drehten diese Bekannten diesem Bauwerk, das die ganze Welt kennt und bewundert, den Rücken zu. „Wir haben Hunger. Wo gehen wir hin?“, fragten sie uns und ließen uns unmissverständlich wissen, dass für sie der Spaziergang zum Sydney Opera House nun beendet sei. Widerrede? Zwecklos.


Einen Tag später liefen Steffen und ich dann nochmal zum Sydney Opera House. Diesmal mit einem Sixpack Bier, gut verpackt in einer Papiertüte (Ja, die Australier sind da etwas verklemmt!) zum Opernhaus. Diesmal waren wir allein, setzten uns in der untergehenden Sonne auf die Stufen zu Fuße des Opernhauses und öffneten mit einem leisen Zischen die erste Dose. Und während der Himmel sich dunkelblau färbte, beobachteten wir die Touristenströme rund um dieses Opernhaus. Sahen, wie die Lichter der Sydney Harbour Bridge angingen, und sich neben uns ein anderes schwules Paar aus Deutschland hinsetzte. Wir haben uns nicht mit ihnen unterhalten. Aber auch denen war mehr danach, den Moment zu genießen, als dem nächsten Event hinterherzulaufen.

Manche Menschen kommen irgendwie nie an.