Diese Geschichte beginnt vor acht Jahren, als ich beruflich mit einem Kollegen, der auch ein guter Freund wurde, auf einer Autobahn in Genua, Italien, fuhr. Ich weiß noch, ich fuhr. Er saß neben mir und erzählte, wie er ein Mädchen über eine Datingplattform kennengelernt hatte.

Er ist ein super netter Kerl. Bodenständig, lustig, pragmatisch und intelligent. Vielleicht etwas übergewichtig. Keiner, für den man sich auf der Straße umdrehen würde, wenn man ihn sieht. Aber einer, zu dem man den Kontakt hält, auch wenn man schon viele Jahre nicht mehr gemeinsam arbeitet. Einer, mit dem man sich vornahm, die Welt in einem Geländewagen zu befahren – vom Nordpol bis zum Südpol – entlang der Panamericana. Einer, mit dem man den Herausforderungen einer solchen Tour durch viele Länder und Kontinente mutig trotzt und immer die Nerven behält.

Und so erzählte er mir auf dieser Autobahn in Genua von diesem Mädchen, einer Krankenschwester. Nett sei sie, zum ersten Mal hat er sie kurz vor der Dienstreise getroffen. Und, ja, dieses Mädel drehte meinem Kollegen mächtig den Kopf rum – im positiven Sinne. Denn nach langer Zeit des Single-Lebens gab es mal wieder eine, die ihn interessierte. Acht Jahre und einen Umzug nach Stuttgart später, waren sie verheiratet. Er arbeitete mittlerweile bei einem süddeutschen Automobilhersteller für Luxusfahrzeuge. Sie fand einen Job in einem städtischen Krankenhaus. Sie heirateten, und er legte ihr die Welt zu Füßen.

Er war so fasziniert von ihr, dass er ihr ein Leben ermöglichte, dass sie sich selbst nicht hätte leisten können: Luxusautos, 5-Sterne-Hotels, Jetset, Weltreisen, Amerika, andere Kulturen. Sie gewöhnte sich schnell daran, dass selbstverständlich (!) frischer Orangensaft zum Buffet gehörte, und nur feinste Kaffeebohnen für den Latte Macchiato herhalten mussten – auch zuhause. Sie lernte es sehr zu schätzen, dass frischer Lachs und ein Rindersteak, medium, in der Business Class von Premium Airlines serviert wurden – selbstverständlich mit dem dazu passenden Weißwein oder Rotwein. Doch mit der Zeit lernte sie all das nicht nur zu schätzen, sondern dies auch als das neue Normal zu verstehen. Wie teuer das alles war, verdrängte sie. Mein Kollege bezahlte ja für alles. Er tat es gern.

Und er tut es heute.

Mit dem steigenden Lebensstandard, dem neuen Normal, verlernte auch er es, die kleinen Dinge im Leben zu schätzen. Und ich realisierte erst vor einigen Monaten, dass das Bodenständige in ihm verschwunden war. Er würde nicht mit mir durch tiefe Schlammpfützen in einem Offroader fahren, wenn am Ende des Tages kein 5-Sterne-Hotel ihn erwartete. Ein Zelt? Nein, ein Zelt würde seinen Ansprüchen nicht mehr genügen.

Es war wirklich schade, zu erkennen, dass die Zeiten sich nicht nur änderten. Das ist bis zu einem gewissen Grad sicherlich ganz normal. Lebenskonzepte ändern sich. Doch es war sehr schade, zu sehen, dass er sich für die Liebe seines Lebens verausgabte – bis auf das Unterhemd.

Irgendwie wünsche ich mir, dass das alles nachhaltig und von Dauer ist, auch wenn ich total Zwiegestalten bin von dieser Beziehung. Ich wünsche mir, dass er nicht eines Morgens aufwacht, pleite. Ich hoffe so sehr, dass er glücklich bleibt. Doch ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das gehen soll, ohne dass er zwischenzeitlich im Lotto gewinnt, um es seiner Traumfrau recht zu machen.

Wenn es eine Moral aus dieser Geschichte gibt, dann vielleicht die, niemandem etwas vorzumachen. Dass es wichtig ist, sich dem zukünftigen Partner so zu zeigen, wie man wirklich ist. Dass Luxus zu den angenehmen Seltenheiten gehört, dass man mit dem zukünftigen Partner aber auch in einem Zelt im regnerischen Norwegen bei Wind und Wetter übernachten kann.

Ich wünsche ihm sehr, dass es klappt.